den heissen Tagesstunden aber geradezu eine Marter, da durch
den beinahe schattenlosen Weg und die Ausstrahlung der
warm gewordenen, im Wege liegenden Felsblöcke und grossen
Platten die durch das Steigen hervorgerufene Körperwärme noch
unendlich erhöht wird, so dass man herzlich froh ist, wenn
Einem, oben angekommen, die kühlende Seebrise entgegenweht.
Die Aussicht da oben, besonders in der kühlen Morgenfrische
oder bei untergehender Sonne, ist sehr schön, da der Standpunkt
ganz frei ist und von keiner ändern Anhöhe überragt
wird. Im Süden und Westen dehnt sich die weite, tiefblaue See
aus, deren scheinbare Ruhe mit dem deutlich vernehmbaren
Tosen der Brandung am Fusse des Hügels nicht recht übereinstimmt.
Im Norden hat man gerade zu seinen Füssen die
malerische Bucht von Monrovia, einzelne ausgedehnte Partien
des Messuradoflusses, den sich durch Mangrovewälder hinschlängelnden
Stockton Creek, eine Art natürlichen Kanals, der den
Unterlauf des Messurado mit dem des St. Paul verbindet, und
darüber hin das Hinterland, das, obwohl durch zahlreiche liberianische
Ansiedler bewohnt, aus der Ferne wie ein grösser Wald
aussieht, zu dem die unsichern Umrisse der weit landeinwärts
liegenden blauen Berge einen gut abschliessenden Hintergrund
bilden. Unmittelbar zu seinen Füssen aber, kaum 100 Fuss
tiefer, überblickt der Beschauer die Hauptstadt Liberia’s, die
mit ihrer malerischen Staffage von grotesken Baumgruppen und
verwildertem Gebüsch einen ungemein reizenden Eindruck macht,
besonders in früher Morgenstunde, wenn die aufgehende Sonne
die kraftstrotzende, thautriefende Natur mit ihren erwärmenden,
goldigen Strahlen zu neuem Leben weckt. Die tropische Natur
muss man, soll sie voll und ganz genössen werden, am Morgen
nach Sonnenaufgang oder abends vor Sonnenuntergang sehen.
Von morgens acht bis abends vier Uhr ist die Luft infolge
der Hitze in beständiger, zitternder Bewegung. Alles ist wie in
Dunst gehüllt, und die senkrechten Sonnenstrahlen machen es
geradezu unmöglich, etwas in richtiger Beleuchtung zu sehen.
Von Aussicht auf das Binnenland kann den Tag über nicht die
Rede sein, da selbst auf kurzen Abstand schon die Landschaft
sich in einen undurchdringlichen, grauen Schleier hüllt.
Die Umgebung des Leuchtthurms, dessen Feuer Dr. Z öller,
der humoristische und talentvolle Berichterstatter der Kölnischen
Zeitung, scherzweise mit der brennenden Cigarre eines Liberianers
verglichen hat, bietet nicht viel Interessantes, und ebensowenig
einige nebenan in einer alten Batterie lose auf dem Boden liegende
eiserne Feldschlangen, mit denen die Liberianer gelegentlich die
Salutschüsse fremder Kriegschiffe erwidern.
Durch eine grosse, früher sehr gut unterhaltene, jetzt fast
gänzlich von Strauchwerk überwucherte Kaffeeplantage gelangt
man auf einem sehr holprigen Wege den nördlichen Abhang
hinunter an die Bucht von Monrovia und, dieser landeinwärts
folgend, an ein nahe der Stadt gelegenes Dorf, das einzig und
allein von Krunegern bewohnt wird. Dieses Dorf, die sogenannte
Krootovm, bietet dem Neuling so viel Eigenartiges, noch nie
Gesehenes, dass er sich im ersten Moment in eine andere Welt
versetzt wähnt. Schon von ferne tönt dem Besucher ein wirres
Summen, als wie von Menschenstimmen entgegen, ein Durcheinander
von unverständlichen Lauten, das in demselben Grade
zunimmt, als bei dem Nahen der Stadt die See mit dem Rauschen
der Brandung zurückbleibt. Das dichte Buschwerk hält den Ort
noch einen Augenblick verborgen, aber noch eine Biegung um
eine Ecke herum, und wir stehen auf einmal in einem Gewirr
von kleinen, eigenartig aussehenden Häuschen, zwischen denen
wir, auf den mit peinlicher Sorgfalt rein gehaltenen freien Plätzen,
halbnackte schwarze Männer und Frauen finden, erstere in süssem
Nichtsthun den Tag verschlafend oder ihre kurzgestielte Thonpfeife
rauchend, letztere ihre Aufmerksamkeit dem im Freien
über dem Feuer stehenden Kochtopf widmend-oder in hölzernen
Mörsern Reis stampfend, während eine Schaar nackter Kinder
sich spielend die Zeit vertreibt und beim Nähertreten des Weissen
entweder Reissaus nimmt oder ihn auf einigen Abstand mit
grossen, neugierigen Augen mustert. Dieses Dorf ist der Wohn-
platz der sogenannten Kruneger, von denen später eingehender
die Rede sein wird. Die Männer — unter dem Namen Kr.oöboys
an der ganzen Küste sehr wohl bekannt — sind meist Arbeiter
und Bootsleute im Dienste der europäischen Faktoreien. Es ist
Sonntag, und ein liberianischer Sonntag wird eben so streng