Huhn oder einige Eier etwas Tabak zu erhandeln. Es war uns
leider nicht möglich, Alles einzuschliessen, und wir wohnten
überdies, wie schon gesagt, in einer Hütte, deren eine Längsseite
offen, und die daher Tag und Nacht für Jedermann zugänglich
war. Ein Neger konnte sich zur Nachtzeit leicht einschleichen,
ohne gesehen oder gehört zu werden, und alles, was er sich den
Tag zuvor bei einem Besuche gemerkt hatte, ohne Mühe wegholen.
Solch ein nackter Neger schleicht dahin wie eine Katze;
er stösst nirgends a n , bleibt nirgends hangen, kurz, er ist
geradezu wie zum Dieb geschaffen.
Den einen Bedienten nach dem ändern mussten wir wegen
Diebstahls entlassen und erhielten dann vom Häuptling, dem
Einzigen, der uns Bediente liefern durfte, andere, meist mit
dem bestimmten Auftrag, uns bei Gelegenheit dieses oder jenes,
das geschenksweise nicht zu bekommen war, zu stehlen. Es
würde mich zu weit führen, alle die traurigen Erfahrungen, die
wir während unseres Aufenthaltes unter dem Golahstamme
machten, hier mitzutheilen; nur soviel sei gesagt, dass, wenn
diese Leute kühner gewesen wären und sich weniger vor unseren
Feuerwaffen gefürchtet hätten, wir kaum mit heiler Haut aus
diesen Urwäldern herausgekommen sein würden.
Die zweite Hälfte des Juli brachte eine Reihe von schönen,
sonnigen Tagen, die uns vortrefflich zu statten kamen, um die
halbverschimmelten Sammlungen zu lüften und zu trocknen. Da
bald darauf auch das Wasser etwas fiel, so dehnten wir unsere
Jagdexcursionen wieder weiter aus, obschon wir wegen geschwollener
Füsse und zahlreicher flacher Hautgeschwüre an den Unterschenkeln
keine grössere Reise machen konnten. An eine Ueber-
siedlung nach einer neuen Station flussaufwärts, wozu jetzt die
günstigste Zeit gewesen wäre, war jedoch nicht zu denken,
denn Sickly war nicht gesonnen, uns die dazu nöthigen Träger
zu liefern; er hätte sie auch wahrscheinlich, da Jedermann mit
der Reisernte beschäftigt war, nicht zusammengebracht. Es wurde
uns nun von allen Seiten Reis zum Kaufe angeboten, und wir
versäumten nicht, einen so grossen Vorrath davon anzulegen,
wie der leere Raum in unsern Kisten und ändern Gefässen nur
gestatten wollte.
Mit. Anfang August setzten die Regen wieder ein. Der Fluss
stieg zusehends höher und höher. Gegen Ende des Monats stand
unsere Küche bereits bis an den Dachgiebel unter Wasser,
so dass wir mit dem Floss darüber hinwegfahren konnten. Es
blieb nun nichts weiter übrig, als in unserer Hütte zu kochen,
wo wir Tag und Nacht das Feuer nicht ausgehen liessen. An
Jagen war bei diesem traurigen Wetter kaum mehr zu denken.
Unsern letzten Bedienten, Soquooi, einen Sohn des Häuptlings
S i o k l y , mussten wir wegen Diebstahls entlassen. Er gieng und
klagte, dass wir ihn misshandelt hätten. Sein Vater, der gerade
von einem Kriegszuge aus Sublum zurückgekehrt war, verfügte
sich zornig, unter Begleitung von etwa zwanzig mit Säbeln
bewaffneten Leuten, nach unserer Station und stiess uns gegenüber
Drohungen aus, wobei seine Begleiter kampfesmuthig die
Säbel schwangen. Sa l a lag krank in seiner Hängematte, und
als die Leute sahen, dass ich auf mich allein angewiesen war,
dachten sie jedenfalls, mit mir leichtes Spiel zu haben oder mich
wenigstens einschüchtern zu können. Ich aber griff, nichts Gutes
ahnend, nach meinem Revolver und zog mich nach der Wand
zurück, um S a t . a z u beschützen und im Bereiche unserer stets
geladenen Gewehre zu sein. Mein Reisegefährte jedoch, der durch
das Netzwerk der Hängematte dem Treiben zugesehen hatte,
zog in der Stille seinen Revolver hervor und stand mit einem
gewaltigen Sprunge an meiner Seite. Wie auf ein verabredetes
Zeichen drangen wir nun auf die in der Luft herumfuchtelnde
Bande, die unsere Hütte füllte, ein und jagten sie, ohne auch
nur einen Schuss abfeuern zu müssen, aus einander.
Von dieser Zeit an war unser Verhältniss zu dem Häuptling
ein gespanntes. Ich hatte ihm bei seinem drohenden Auftreten
zwar gesagt, dass wir, wenn er allein käme, gerne mit ihm
unterhandeln würden und unser Palaver nicht lange dauern
sollte, dass wir aber der Gewalt auch Gewalt entgegensetzen
würden; er erschien indessen nie mehr, um unsere Differenzen
auszugleichen. Wohl aber verbot er sämmtlichen Leuten auf das
strengste, uns Lebensmittel irgend welcher Art zu verkaufen,
und Niemand durfte in unsere Dienste treten oder eine Botschaft
für uns nach der Küste bringen.
LIBERIA, I . 12