selten gelingt, der scheuen Vögel seihst ansichtig zu werden. Im
dichtesten Unterholze trippeln niedliche Erdtauben umher, und in
den stillen Waldstimpfen haust das seltene, rothbeinige Sumpfhuhn
und brüllt, im Dickicht wohlverborgen, die menschenscheue,
weisshäubige Rohrdommel. Auch an Reptilien fehlt es
dem Urwalde nicht. Da schleppt sich die schwergepanzerte Landschildkröte
unter dichtem Buschwerk hin; die mehr als armdicke,
10-20' lange Pythonschlange liegt in träger Ruhe der Verdauung
ihrer Beute ob, verschiedenartige, grüne Baumschlangen hangen
wie Lianen aus den- Aesten herab und lassen sich gelegentlich
vor dem unbeweglich auf dem Anstand stehenden Jäger auf die
Erde fallen, während zahllose, meist an der Unterseite der
Blätter sich festsaugende Laubfrösche ihre hellen Glockentöne
erschallen lassen.
Emsige wilde Bienen tragen Honig und Wachs nach ihren in
Baumhöhlen angelegten Nestern. Ueberall findet man die interessanten
Hochbauten der Termiten (Termes mordax und T. belli-
cosus); zahllose Ameisen rennen in geschäftiger Eile hin und her,
und gegen Mittag leitet das schrille Zirpen der grossen, an
Baumstämmen sitzenden Cicaden die allgemeine Ruhe ein. Dann
scheint der ganze weite Wald wie ausgestorben; kein Flügel
reckt sich, keine Stimme wird laut, selbst die Pflanzenwelt ist
wie in Schlaf versunken und die zierlichen Akazien haben auch
wirklich während der Hitze des Tages ihre Fiederblättchen zusammengeklappt,
ganz so wie bei uns zur Nachtzeit.
Man denke sich nun diese ausgedehnten Wälder in allen Richtungen
von engen, durch jahrelangen Gebrauch tief ausgetretenen
Fusspfaden durchkreuzt, und in einem der Letzteren, wie Gänse
hinter einander, eine Karawane von lärmenden Negern, die des
weissen Jägers Bagage von Station zu Station schaffen, hie und
da auch einen offenen Fleck mit einer kleinen Negerfarm, wo
zwischen wild durcheinander liegenden, halbverkohlten Baumstämmen
und Aesten Reis und Kassaven wachsen, oder ein
Dörfchen mit armseligen Lehm- und Palmblatthütten, zwischen
denen nackte Kinder spielen und leichtgeschürzte Männer und
Frauen ihrer Beschäftigung obliegen — man denke sich die Thäler
dieser-waldbedeckten Berglandschaft durchströmt von murmelnden
und rauschenden Waldbächen, und das Ganze wiederum durchschnitten
von einem gewaltigen Strome voller Barren und Felsinseln,
die zur Regenzeit unter einer gelben, dicken Wassermasse
verschwinden: dann hat man ein in groben Umrissen gezeichnetes
Bild von den Waldgebieten, die für längere Zeit unsere Jagdgründe
werden sollten.
An ihrem innern Rande geht die breite Hochwaldzone ganz
allmälig in die weite Mandingo-Hochebene über. Hier hat der
Wald nicht mehr das Uebergewicht und wird sogar weiter landeinwärts
so selten, dass die Mandingo in Ermangelung des Holzes
als Brennmaterial Kuh- und Pferdemist und • zum Bau ihrer
Häuser und Festungswerke Thon gebrauchen müssen. Nach den
Angaben des liberianischen Reisenden Andebson wechseln hier
ausgedehnte . Grasflächen mit hügeligem Terrain und reichen
Feldern ab, worauf von den fleissigen Mandingo Reis und Mais,
Maniok und Bataten in Ueberfluss angebaut: werden, wo -
für Liberianer jedenfalls ein fremdartiger Anblick — Kühe und
Pferde, Ziegen und glatthaarige Schafe weiden und selbst
der Elephant, im Küstengebiete so gut wie ausgerottet, noch in
ganzen Trupps zusammen angetroffen wird.
Der Gesammteindruck der liberianischen Pflanzenwelt lässt
sich nicht leicht in wenigen Worten ausdrücken. Im Allgemeinen
trägt dieselbe mehr den Charakter des Grossartigen als
des Zierlichen; sie überrascht und überwältigt mehr, als dass sie
anspricht. Das Auge erfreut sich hier mehr an den reichen
Nuancen im Grün der Blätter, als an dem Schmuck der Blüthen,
wie' wir ihn auf unsern anmuthig grünen Wiesen und hohen
Alpenweiden zu sehen gewohnt sind. Kaum irgendwo herrscht
ein richtiges Ebenmaass; nur selten findet sich eine Blume, die
nach unseren europäischen Begriffen gut zu ihrer Umgebung passt,
und die zartesten, farbenprächtigsten Gebilde von den bizarrsten
Formen blühen ungesehen unter undurchdringlichem. Gestrüpp
auf modernden Wurzelknorren und Baumstümpfen, oder leben
epiphytisch auf Bäumen. Die schönsten Blumen duften entweder gar
nicht oder sind von betäubendem Wohlgeruche — kurz, Alles
was man sieht, interessirt mehr durch Fremdartigkeit und Neuheit,
a ls ’dass es anmuthet durch Lieblichkeit und Harmonie,