gesetzt hatte. „Ölo Jango!“ (zur Versammlung) rief man von
allen Seiten, und die Leute der Karavane versammelten
sich alsbald truppweise, mit Flinten und Speeren bewaffnet
, um die vor den Kimbango aufgepflanzte Fahne 18);
Dort kauerten sie sich auf den Boden und erwarteten
die Eröffnung der Versammlung, was bei solcher Gelegenheit
stets mit grossem Ernste zu geschehen pflegt.
Ich nahm auch Platz unter ihnen und neben mir
kauerten sich, der Sitte gemäss, auch mein Kissongo
und Kalei nieder. Die Fremden setzten sich als gesonderte
Gruppe in einiger Entfernung. Hierauf nahm einer
von ihnen aus seiner Patrontasche einen versiegelten
Brief heraus gab ihn meinem Kissongo, der ihn dann
mir überreichte. Auf dem Brief stand in portugiesischer
Sprache folgende Adresse : „Dem Chef der Karavane
von Bihe.“ Auch der Brief war in portugiesischer Sprache
geschrieben, und sein Inhalt lautete ohngefähr so:
Vor , etwa drei Jahren reiseten mehrere meiner Leute,
die mit europäischen Waaren belastet waren, in Begleitung
der Karavane von Bihe in das Land der Ganguelli,,
um dort Elfenbein einzutauschen; aber noch immer ist
keiner von ihnen zurückgekehrt; folglich sind sie, ohne
Zweifel, von den Biheern ermordet worden, die auch
ihre Waaren geraubt haben. Deshalb fordere ich die
gegenwärtige Karavane auf, dass sie als Sühne für das
von ihren Landsleuten vergossene Blut und als Vergeltung
für den von ihnen gestifteten Schaden die hier angeführten
Waaren ohne Zaudern abliefere. Im entgegengesetzten
Falle werde ich meine Forderung mit Hülfe
meiner schon ausgerüsteten Waffenmacht in zehnfacher
Weise geltend, machen, und einen Theil ihrer Leute als
Sklaven fortführen.
Es wurden nun folgende Waaren gefordert: 20
Küpa oder Zeugeballen (500 Stück verschiedene Baüm-
wollzeuge); 10 Fässer Branntwein (500 Halbe); 10 Fässer
Pulver (200Pfund); 10 Flinten'; 2 Ries Papier; 500
Feuersteine. — Unterzeichnet war : Kindandschi, Soha
an Kubäla.
Kaum hatte mein Dolmetsch den Inhalt des Schreibens
der Versammlung auseinandergesetzt, als sogleich
viele ihre Waffen emporhoben und mit lauter Stimme
ausriefen : „Väkemba! dyimunu moine!“ (Das ist eine
Lüge; wahrlich,, es sind Räuber). Diese allgemeine Begeisterung
war ganz nach meinem Sinn, denn wenn die
Karavane sich gefügt und die Sache friedlich beigelegt
hätte , so hätte ich als Chef das Doppelte zur geforderten
Entschädigung beitragen müssen. Da ich das hei
solchen Gelegenheiten zu beobachtende Verfahren noch
nicht kannte., forderte ich Murssa, den gewesenen Chef
auf, er möchte bei der Verhandlung mein Stellvertreter
sein. Murssa erhob sich nun und rief mit lauter Stimme
der Versammlung zu : „Mänu kiabiteku!“ (Leute, seid
stille!), worauf sogleich die gewöhnliclie Ruhe und Ordnung
in der Versammlung hergestellt ward. Dann richtete
er mehrere Fragen an die Fremdlinge; diese Fragen
bezogen sich auf die gesetzlichen Gebräuche der
Schwarzen, und er brachte wie ein geschickter Rechtsanwalt
damit die Fremden vollständig aus ihrer Fassung.
Es zeigte sich sehr bald, dass sie nur eine arge List
anwendeten , um von der durch das Schreiben etwa eingeschüchterten
Karavane so viel als möglich zu erpressen.
Die Fragen Murssa’s machen uns einigermaassen mit
den gesetzlichen Gebräuchen der südafrikanischen Völker
bekannt; deshalb will ich sie’ hier kurz anführen.
Magyar’s Reisen in Südafrika. §