Beide Parteien suchen nun mit langen Repliken ihr
Recht zu beweisen. Es ist bei solchen Gelegenheiten
interessant, den Olombango zuzuhören, wie sie mit grösser
Gewandtheit und unerschöpflicher Beredtsamkeit
das Gewohnheitsrecht zu wenden und zu drehen verstehen.
Wenn sich also die Parteien nicht ausgleiehen können,
so kömmt die Sache vor den Erombe Sekulu. Hier
müssen die Parteien vor dem Beginn der Verhandlung
den Richtern ein Geschenk, das sogenannte „Kuikila-
omela“ (Mundöffnen) darreichen, welches im Verhältniss
zum streitigen Gegenstände grösser oder kleiner ist und
in Schweinen, Schafen, Ziegen, Hacken oder Zeugen besteht;
bei wichtigem Angelegenheiten muss man eine
bestimmte Quantität Zeuge und Sklaven geben. Wenn
eine Partei kein rechtes Zutrauen zur Gerechtigkeit
ihrer Angelegenheit hat und befürchten muss, dass sie
verurtheilt werde, so gibt sie den Richtern ausser dem
Geschenk des Mundöffnens, auch noch das ;,Ovitukika“,
d. h. das Geschenk um Gnade, welches bedeutend grösser
ist. als jenes. Aber dann darf sie auch gewiss darauf
rechnen, ein günstiges Urtheil zu erhalten, wenn nicht
die Gegenpartei einen tüchtigen Anwalt oder mächtige
Gönner hat, •
Nachdem die Richter ihren Platz auf dem Jango
eingenommen haben, beginnt die Verhandlung. Jetzt
reden nicht mehr die Parteien, sondern ihre Olombango,
die im Allgemeinen in der Verteidigung ihrer Klienten
eine grosse Gewandtheit an den Tag legen. Manchmal
dauert die Verhandlung mehrere Tage lang, bis endlich
die Richter ihr Urtheil fällen, welches unter dreimaligen
Ausrufen und in wichtigem Fällen auch unter Flintenschüssen
verkündet wird.
Die verlierende Partei muss sogleich im Verhältniss
zum streitigen Gegenstände ein grösseres oder
kleineres „Effetu kiroya milonga“ das heisst ein gerichtliches
Aufgeld erlegen 3); dann wird der Termin festgesetzt,
an welchem die dem Aufgelde entsprechende
Geldbusse gezahlt werden muss. Nachdem dies Alles
erledigt ist, überreicht die gewinnende Partei den Richtern
das „01opändu‘i , d. h. das Geschenk des Dankes.
Die verlierende Partei kann das Urtheil der Sekulu
an den Fürsten appelliren, muss aber diesem die
erwähnten Geschenke wenigstens im verdoppelten Maassstabe
darbringen; oft wird auch wirklich das Urtheil
zu Gunsten derselben abgeändert; doch pflegt dann die
Gegenpartei, zu deren Gunsten die Sekulu entschieden
hatten, dieselbe der Lüge und des Betruges zu beschuldigen
und demnach zum Bulongo-Trank aufzufordern.
Am Ende ist es also doch der Kimbanda, der die Sache
endgiltig entscheidet.
1 Die Vollziehung des Urtheils wird von dem gewinnenden
Theile selbst und seinen Verwandten besorgt,
und man wendet sich nur dann, wenn die Gegenpartei
zu mächtig ist, an den Fürsten oder an einen mächtigen
Erombe Sekulu. Doch findet in diesem Falle gewöhnlich
die Anwendung der Fabel vom Löwen und' dem
Wolfe statt; die errungene Beute bleibt fast ganz in
den Krallen derjenigen, die um die Vollstreckung des
Urtheils angegangen wurden, ja manchmal muss auch
der sich die Hülfe erbeten hätte, noch seine eigene Haut
preisgeben.