
wenn man den Löwen oder Pferden die Mähnen abschneiden
wollte *). Daher haben sich die bildenden Künstler aus dem
Studium der Antiken das Ideal eines schönen männlichen Bartes
abgezogen, das an einem kräftigen Gesicht ein dichter aber
kurz gekräuselter, an Greisen aber ein langer, über die Brust
herabhangender Bart ist. — Dieser lange Bart der Griechen
war ein ehrwürdiges Zeichen ihrer Philosophen und Aerzte,
und der Kaiser Jul ian, der auch für einen Philosophen gelten
wollte, trug selbst einen grossen Bart. — A p u l e j u s verspottet
die Affectation seiner Zeitgenossen, die, um für Philosophen
zu gelten, grosse Bärte trugen: „Hircino barbitio philosophum
mentitus.« — A u l u s Gell i u s sagte einst recht spasshaft:
„Ich sehe Bart und Mantel wohl, aber ich sehe den Philosophen
nicht.« Daher mag auch das Sprichwort kommen: Barba non
facit philosophum. Auch noch unter den g r i e c h i s c hen Kai sern
wurde der Bart allgemein für eine nothwendige Zierde des
Mannes angesehen, und mehrere derselben legten sich den
Ehrentitel: Pogonatus, bey. — Schon seit den ältesten Zeiten
zeichneten sich die Ei n s i e d l e r durch lange Bärte aus, und
imMi t telal ter war der lange Bart und die Tonsur der Hauptunterschied
zwischen Mönchen und Laienbrüdern, und überhaupt
das vornehmste Zeichen der Geistlichkeit. Jedoch entstanden
nachher desshalb Streitigkeiten, die damit endigten,
dass der Orient standhaft das Recht des ehrwürdigen Auswuchses
vom Manneskinne vertheidigte, während die meisten Mönche
des Occidents sich zu rasieren anfingen, und während der
allgemeinen Bartschur (Barbirasium), welche alle ±4 Tage, oder
alle Monate, und in der Fastenzeit gar nicht erfolgte, Psalmen
sangen.— Vor dem 21sten Jahre durften sich die Römer nicht
rasieren, und das erstemal geschah es mit grosser Feyerlichkeit.
Die Erstlinge des Bartes wurden nämlich in eine goldene oder
silberne Kapsel eingeschlossen, und irgend einer Gottheit, gewöhnlich
dem Jupiter Capitolinus oder dem Aesculap geweiht.
D io sagt vom Oc ta via nus : „Caesar tum primum barbam ra-
dens, et ipso diem cum plane Jesiam habuit, et aliis publicam
festivitatem indixit, atque ex eo etiam genas suas laeves habuit
ad exemplum reliquorum **). Nach T a c i t u s Hessen die Jüng-
*) P l u t a r c h de rebus Sicul. L 1, q.
^ S u e t o n , vita Neronis cap, 22 et üb. t|8,
linge der Kat ten ihren Bart solange ungestört wachsen, bis sie
einen Feind erlegt hatten*). Die ersten Chr i s ten brachten
ihren ersten Bart einem Heiligen oder Märtyrer zum Opfer. Bey
denLongobarden (deren Nähme von ihren langen Bärten herrühren
soll) hatte ein einziges Barlhaar die Gültigkeit und den
Werth der ersten Verpflichtung. So wurde auch bey den Al lema
n n e n das Abnehmen des Bartes wider seinen Willen für
eine grosse Beleidigung gehalten, die man viel stärker als blutige
Prügel bestrafte **). Die I n d i e r straften ihre Verbrecher
durch das Bartscheeren. Die F r i e s e n pflegten bey dem
Schwören ihre Kopfhaare linkerseits etwas hervorzuziehen,
und die Finger der rechten Hand darauf zu legen. Daher
das Sprichwort: „einem Friesen kann man erst dann glauben,
wenn er seine Haare mit den Fingern berührt hat.«— Die Arab
er und Mu h ame d a n e r leiden Heber den Tod, als den
Verlust ihres Bartes. Spucken in den Bart wird hart bestraft 5
Küssen, Beräuchern und Besprengen desselben mit wohlriechenden
Sachen sind Zeichen der Achtung ***). Wenn sie einen
Mann mit rasiertem Bart sehen, so rufen sie aus: „der Fluch
Gottes über den Vater, der dieses unvollkommene Gesicht gezeugt
hat.« Auch verachten sie die Katzenbärte, die nur aus
einigen wenigen, in einer Linie abgezirkelten Haaren bestehen.
Von einem rasirten Greise sagen sie: „Man sollte ein solches
Gesicht mit Koth bewerfen, es ist das Gesicht eines alten Affen,
eines alten Sünders, den die Sünde nicht verlässt« ****). —
Es gilt im Serail des Grossherrn zu Constantinopel für ein
Zeichen der tiefsten Unterwürfigkeit, wenn sich die Türken
den Bart rasieren lassen. — Die Gewohnheit, beym Barte zu
schwören, schreibt sich von den Griechen her, die bey dem
Barte des Jupiters schwuren. — Auch im Mittelalter schwur
man noch bey dem eigenen Barte, wie diess namentlich der
deutsche Kaiser Ot to in Gewohnheit gehabt haben soll. Eben
so adoptirte man dadurch, dass man dem angenommenen Sohn
*) De moribus Germanorura. cap. 31, und M e i n e r s Aufsatz über das
H aar - und Bartabseheeren bey verschiedenen Völkern in neuern
Zeiten. Gotting, hist. Magazin. 1. Bd. Stück 3. p. 456-
**) Camerar. Cent. I. Op. succ. cap, 36. p. 153.
***) S. G. V o g e l über die diagnostische VV^ürde der Haare in H e k e r s
Annalen a. a. O.
****) Memoires du Chevalier d’Arvieux, 12 *