
l) Die äus sere Umh ü l l u ng der Haare, die Ho r n oder
R inde ns u bs t an z (Involucrum crinis, Vagina pili, Sub-
stantia corticalis, s. cornea etc.).
Bringt man ein etwas feines, lichtfarbiges, z. B. ein blondes
Haar unter das Microscop, so sieht man in der Mitte einen
breiten, durchsichtigen Streifen, der von zwey feinen, aber
undurchsichtigen Linien auf beyden Seiten begränzt wird. Diese
Ansicht verändert sich jedoch zum Theil nach Verschiedenheit
der Art, wie man das Ganze beleuchtet, ein Umstand, der
häufig übersehen wurde, und daher die Ursache der auffallendsten
Abweichungen in einer und derselben Sache war.
Denn geschieht die Beleuchtung von unten mittelst eines Spiegels,
dann zeigt sich das Ganze auf die beschriebene Art ; wird
aber das Licht von oben, sey es nun geradezu, oder mittelst
eines Brennspiegels darauf geleitet, dann ist die Färbung gerade
umgekehrt, die Rindensubstanz wird jetzt durchsichtig,
und der vorher durchsichtige Streifen wird undurchsichtig.
Desshalb ist es auch nothwendig, bey allen derley Operationen
und Beschreibungen immer die Art der Beleuchtung anzugeben,
wenn Unerfahrne nicht irre geführt werden sollen. —
Aus dem Angeführten geht schon hervor, dass eigentlich auch
die Rindensubstanz durchsichtig sey, wenn nur die rechte Beleuchtung
angewandt wird; denn sie ist ja nichts anderes, als
eine feine Hornschichte, welche das Haar rings umgibt, und
die nachher zu beschreibende Marksubstanz zwischen sich
schliesst. Die Dicke dieser Hornschichte ist sehr verschieden,
und richtet sich im Allgemeinen wohl nach der Feinheit des
Haars überhaupt, ist also in der Regel bey den feinsten Haaren
am schwächsten, und z. B. an den starken Backenbart- und
Schamhaaren am grössten. Doch gibt es hiervon mancherley
Ausnahmen, wie wir schon bey den Thierhaaren gesehen haben.
Mit der Dicke der Rindensubstanz steht aber auch ihre
Durchsichtigkeit im umgekehrten Verhältniss, und daher
kommt es, dass wir in sehr feinen, mit wenig Rinde umgebenen
Haaren, jene fast gar nicht bemerken, und auf die
Idee kommen, das ganze Haar bestünde bloss aus Marksubstanz,
was aber durchaus falsch ist. — Ich bin der Meinung,
dass die Rindensubstanz mit der Oberhaut sehr viel Aehnlich-
keit in Bezug auf die Bestandtheile habe, denn sie ist am Ende
nichts anderes, als eine hornartig verdickte Epidermis, Wenigstens
kann ich hierin dem sonst so verdienten He us i nger
durchaus nicht beypflichten, wenn er behauptet, die Rindensubstanz
der Menschenhaare bestünde gleich jener der Rehhaare
aus Zellen. Ich behaupte vielmehr, und werde mich wohl
schwerlich irren, dass die Rindensubstanz ihrer Natur nach nie
zelfig seyn könne, und auch bey keinem Thiere, noch weniger
aber beym Menschen es wirklich sey. Der Igelstachel muss
uns hierin den Ausschlag geben, denn hier sieht man schon
fast mit blossem Auge die aufeinander geschichteten Zellen von
aussen. Allein Heus i nger irrt gewiss, wenn er glaubt, diese
Zellen seyen in der Rindensubstanz; sie gehören der Marksubstanz
zu, die hier aus doppelten und nebeneinander liegenden,
auch ganz verschieden gebauten Zellen besteht; die eigentliche
Rindensubstanz aber ist auch hier, so wie in allen andern Haaren,
bloss der äusserste Ueberzug, der sich ohnehin beym
Längeschnitt nur als eine feine Randlinie darstellt. Bey den
Rehhaaren, welche Heus inge r den Menschenhaaren so nahe
stellt, ist die Rinde ebenfalls so fein, dass sie die eckigen Zellen
durchscheinen lässt, und daher wieder auf die Vermuthung
bringt: diese lägen in der Rindensubstanz selbst. — Ich halte
demnach die besagte äussere Umhüllung der Haare für eine
Schichte des Horngewebes, welche mit der Epidermis in allen
übrigen Eigenschaften, nur in der Festigkeit, Dicke und Unzerstörbarkeit
durch Maceration, Kochen, chemische Kräfte etc.
nicht übereinkommt. Hierüber hat sich schon Bi c h a t ausführlich
geäussert, und die Attributte angegeben, welche
beydeTheile mitsammen gemein haben. Er sagt: „1. Die Haare
brennen so, wie die Oberhaut; 2- das Wasser durchdringt die
Haare eben so leicht, wie die Oberhaut, und die zur Zeit eines
Nebels feuchten Haare verhalten sich in dieser Hinsicht auf
eine ganz ähnliche Art, wie die durch einen Breyumschlag erweichte,
gerunzelte, und weiss gewordene Oberhaut: 3* die
Haare sind unempfindlich, und werden nie der Sitz weder einer
chronischen noch hitzigen Affection; 4- diese Umhüllung
ist immer weiss, wie die Epidermis *); 5- gerade diese Umhüllung
gibt den Haaren dasselbe Vermögen, das auch dem
Oberhäutchen zukommt, nämlich sich so lange unverletzt zu
erhalten.“ — Es ist ferner nicht weniger der Wahrheit entgegen,
wenn man glaubt, die Rinde sey in allen dunkeln Haa*)
Darüber wird bey der Farbe der Haare gesprochen werden.