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V o r k o m m e n , L ä n g e , E i n t l i e i l u n g u n d Be n
e n n u n g d e r Ha a r e .
Ich habe oben angegeben, dass die Haare, mit Ausnahme
des obern Augenliedes, der hohlen Hand, der Kückenfläche der
letzten Finger- und Zehenphalangen, der Fusssohle, der Innern
Fläche der Vorhaut, der Clitoris und.Eichel, den ganzen
menschlichen Körper durchaus bekleiden, und habe bemerkt,
dass nach P l a t er nicht einmal die hohle Hand davon auszunehmen
sey, indem auch sie mit, aber freylich sehr kleinen
Haaren, die zudem immer abgerieben werden, besetzt seyn
soll, wovon ich mich übrigens nicht überzeugen konnte. Nun
lese ich bey Fe l i x P l a t e r * ) , dass auch die Climes s. Nates,.
und bey L o r r y **) , dass auch die Pars abdominis prominula
unter die haarlosen Theile zu zählen seyen. — Nur sehr wenige,
manchmal wirklich gar keine Haare zeigen sich auf den
Augenliedern bis an ihre Ränder, «m vordem Theil des Penis,
am untern und vordem Theile des Halses, an den Seiten
der Brust, an der Beugseite des Vorderarmes, besonders nach
der Hand zu, an dem obern, innern, dicht an der Scham liegenden
Theil des Oberschenkels, an dem untern Theil der
Wade u. s. w. Ueberhaupt sind auf dem Rücken weniger
Haare, als an der Vorderseite des Körpers, wie uns schon
Ar i s t o t e l e s bemerkt hat. Dieser Umstand spricht gewiss
nicht wenig dafür, dass der Mensch zum aufrechten Gang bestimmt
sey, indem bey den Thieren gerade der umgekehrte
Fall eintritt. Endlich ist es eine bemerkenswerthe Sache, dass
fast alle Oeffnungen (Atria) des Körpers: Augen, Nase, Mund,
Ohren, After, Schamgegend und Brustwarzen, durch stärker
ausgebildete Haare geschützt sind.
Die Län g e der Haare ist ebenfalls sehr verschieden;
denn an einigen Gegenden des Körpers ragen sie weit über
die Oberfläche des Körpers hervor, an andern sind sie dagegen
nur von mittlerer Länge, und endlich, nicht so selten,
auch sehr kurz. Am längsten sind in der Regel die Haupt -
*) De corp. human, structura et usu, Basileae 1583. p. 138,
**) Tractat, de inorhis cutaneis.
h a a r e , und unter diesen übertreffen wieder die Haare des
Hinterhaupts jene des Vorderhauptes. Darauf folgen die Haare
am Kinn bey Mannspersonen, die oft, wie wir nachher sehen
werden, eine ganz ausserordentliche Länge annehmen,
und bis ans Knie, ja selbst bis auf den Boden reichen. Von
mittlerer Länge, etwa 1 — 2 Zoll sind sie an der Scham
beym Manne am After, und unter den Achseln bey beydeli
Geschlechtern. Jetzt kommen bey manchen Männern die Haare
auf der Brust, und zwar sowohl in der Mitte, als auch an
den Seitengegenden, d. i. unter den Brüsten. Diesen zunächst
stehen die Haare an den Füssen und Armen. Vorne am Schenkel,
auf dem Rücken des Fusses, am Vorderarm und auf den
Rücken der Hand, namentlich auch des ersten Gliedes der
vier Finger, sind sie von der Länge eines 2/3 Zolles und
darüber. Kürzer als diese, etwa '/2 bis 3/4 Zoll lang sind
die Augenbraunen, Augenwimpern und Nasenhaare, welchen
sich dann die Haare im äussern Gehörgang anschliessen. Die
kürzesten Haare finden sich an den übrigen Stellen des Körpers
unter dem Namen der Wo l l h a a r e , z. B. an der
vordem Fläche der Lenden, oben an den Waden u. s. w.
Hievon gibt es jedoch nicht sogar selten merkwürdige Ausnahmen,
die immer noch in den Bereich einer relativen
Gesundheit gezogen werden müssen. — So bewunderte man
zu Neapel einen jungen aus der Berberey gebürtigen Mann
von 28 Jahren, dessen Haar in einer Länge von vier Fuss
und von borstenartiger Consistenz vom Kopfe herabhing*).—
Der Tänzerinn Ne g r i n i sind die Haare nach einer acuten
Krankheit bis auf eine Länge von vier Ellen gewachsen **).
D r. J a h n ***) gibt an, dass man ein langes Haupthaar
habe, wenn es die Länge einer Brabantereile betrage. Er
selbst sah jedoch noch längere (zu ±3/4 Brabanterellen)
und Kr e u t z erwähnt eines Beamten in Minden, der ein
Haar von zwey Ellen Länge hatte. Dass Frauen längere
Haare bekommen als die Männer, ist bekannt, so wie überhaupt
die lichten Haare schneller zu wachsen und länger zu
werden pflegen, als dunkle. Es gibt auch merkwürdige Bey-
*) F r o r i e p ’s Notitzen für N atur- u. Heilkunde 1H. Bd. p, 310.
**) Archiv für raed, E rfahrung von H o r n . Neue Folge 1811. 2. Bd.
1. Heft.
***) A. a. O.