
lieh die Sache durch folgende Bestimmung: »Wenn jede Substanz
des Körpers als ein Theil desselben zu betrachten ist,
der mit ihm das Ganze bilden hilft, so sind auch die Haare
Theile des Körpers; wenn aber nur das für einen Theil desselben
gelten soll, was durch gemeinschaftliches Leben mit
ihm zusammenhängt, dann sind die Haare keine Theile des
Körpers, weil sie nach meiner Meinung nur eine vita prioata s.
vegetabilis haben.« Dieses Leben bestimmt er näher, indem
er sagt *): nSunt animati, sed tantum anima vegetante, pe-
culiari, quae cum reliquo corpore nil communionis habet; oiount per
se } nam crescunt eliam post mortem, quemadmodum polypodium
etc. in antiquis arboribus et ante et post earum mortem.11
San g u e r d i u s sagt sogar: „Quemlibet pilum sibi propri-
am liabere animam.u
Obschon Ma l p i g h i früher schon angegeben hatte, dass
die Oeconomie der Haare noch sehr im Dunkeln liege, weil
man wegen Kleinheit der Gefässe den Fortgang und die Natur
der Säfte nicht beobachten könne, so erlaubt er sich doch die
Vermuthung, dass die Haare nach Art der Nägel wachsen,
nämlich durch blosse Verlängerung des untern Schafttheils,
den er, vermög seiner weichen und schleimigen Beschaffenheit
vorzüglich dazu geeignet hielt, nach und nach auswärts hervorgetrieben
zu werdeu. Uebrigens glaubt er, dass die Organisation
des Haarschaftes, nebstdem dass Leichtigkeit und Stärke
erzweckt werde, auch noch und vorzüglich zur Aufbewahrung
eines Saftes bestimmt sey, der mit Luft vermischt in Form von
Blasen aufsteigt. — Diese Theorie, wovon man selbst schon
bey A ri s t ote 1 e s Spuren findet (wenn er sagt: »Pili praecisiab
incisura non augentur, sed inferius a radice exeunt, atque ita eoa-
dunt longiores«.') und nach welcher die Ernährung und das Wachsthum
der Haare durch Juxtaposition (d. i. dadurch, dass die
sich erst bildenden Theile die bereits gebildeten fortschieben)
und nicht durch Intussusception von Statten gehe, blieb bis
auf das vorige Jahrhundert vorherrschend, und wurde dann
auf kurze Zeit von einer andern verdrängt, deren Spuren wir
eigentlich wieder im grauen Alterthum suchen müssen. Dieser
zu Folge wird angenommen, dass die Haare aus der Haut wie
die Pflanzen aus der Erde, oder wie Parasitengewächse auf andern
Pflanzen entstehen und wachsen. Daher der so oft angef)
A. a. O. p. 480,
führte Satz: »Pili ut plantae« *). — Hi p p o c r a t e s , A r i s t o te
le s , Galen, Gl i s son, J a u b e r t , T e r t u l l i a n , Argenter
und Bauhi n halten sie für Pflanzen, und Marc. Ant .
U 1 m us **) heisst sie Animali-plantae s. Plant-animales^ gleicher
Meinung sind auch F ran c. T a r d i n u s und Joh. Tar -
d i n u s ***) undHonoratus F a b r i ****), welcher dreyerley
Pflanzen aufstellte, 1- solche, die in der Erde | 2- die auf den
Pflanzen, und 3. die auf Thieren wachsen, zu welchen er die
Haare und die ihnen analogen Stacheln, Schuppen, Hörner,
Federn und Nägel zählte. Gl i s son gesellte diesen sogar
noch die Schnäbel und die Spornen der Vögel bey. Dagegen
behauptete Mar i o t t e wieder, dass die Haare nicht wie die
Pflanzen, sondern wie die Nägel wachsen, wo, wie bereits gesagt,
das zuletzt Gebildete das früher Entstandene vorwärts
treibt, und er sucht diess durch die Beobachtung beym Haarfärben
zu beweisen, tvo sich augenscheinlich ergibt, dass das neu
Nachwachsende immer wieder die ursprüngliche Farbe annimmt
, während ja bekanntlich bey den Pflanzen der Saft in
den Gefässen bis in die äussersten Spitzen der Aeste fortgetrieben
wird.
A n m e r k u n g . Dass die Haare dem ungeachtet in manchem Bezüge
mit den P f l an zen Aehnlichkeit haben, mag aus folgenden Punc-
ten e rhellen:
1 ) Der U rsprung der Haare aus einem zwiebelartigen Gebilde
gleicht dem der sogenannten Zwiebelgewächse. Eben so verh
ä lt cs sich mit dem Boden, aus welchem sie hervorwachsen.
2) Sie ragen mit ihrem Schafte frey in die L u f t, so wie die
Stengel der Pflanzen.
3) So wie bey den Pflanzen durch Be schneiden, vorzüglich
wenn es nahe an der Wurzel geschieht, der Austrieb beförd
ert wi rd, so ist es auch mit den Haaren, die auch d arin
den Pflanzen ähneln, dass sie, wenn sie beschnitten worden,
so lange wieder austreiben und in die Länge wachsen , bis
sie sterben. Ueberhaupt kommen bey de in den Beförderungsmitteln
des Wachsthumes so ziemlich überein.
*) Siehe: An p i l i p l a n t a e ? Dissertatio E . B o u r r u , Dr. Medic.,
Paris 1783, worin auch viele physische Versuche über die Haare
angeführt werden.
**) G. 3. Physiolog. barbae hum. p. 256.
***) In disquisitionc physiolog. d e p i l i s p. 253.
***•) De plantar, general, lib. 3. proemii p. 93.