
die Schamhaare stark in der Entwicklung sind. Es ist übrigens
eine merkwürdige Erscheinung, dass Niemand vor verübtem
Beyschlafe kahl wird, wie uns schon H i p p o c r a t e s und
Ar i s t o t e l e s berichtet haben. Auch hält Gl i ss on den
Schluss: Hic calvus, ergo ceteris salacior für unrichtig, und kehrt
ihn um, und sagt: Hic salacior, ergo ad calvitiem magis dispo-
situs. Diess sind die Ansichten Gl i s sons .
Die altern Aerzte, namentlich aber der Ar a b e r Eb n
Si n a leitete das Ausfallen der Haare von zwey Momenten her:
Ex causa in materia et loco, et ex causa in r e , und bringt
diese Ansicht wieder mit seiner fehlerhaften Meinung über
den Ursprung des Haars in Uebereinstimmung. — Insbesondere
sucht Avicenna*) die Ursache, warum die Cilien nicht
sobald ausfallen darin, dass ihre Ursprungsstelle dicht, knorpelig,
und zum Festhalten der Haare geschickt sey. — Lo r -
r y **) sagt ausdrücklich, dass diejenigen, welche den blossen
Kopf der Sonne aussetzen, früher kahl werden; und dass
nach He rodol ’s Angabe jene später kahl werden, die sich
oft rasieren lassen. Die Ursachen der Älopecie theilt L o r r y
in generelle und spezielle, und sagt in dieser Beziehung, dass
alles, was die Haare und den Körper der nothwendigen Nahrung
beraubt, und den Saft der Haarzwiebeln verdirbt oder
entzieht, hieher zu rechnen sey. Das Ausfallen der Haare bey
Wöchnerinnen leitet er übrigens von zu grosSfer Säure der
Milch her. Von den wollenen Schlafmützen und Hauben
sagt er, dass sie die Haarwurzeln anfressen, besonders wenn
sie so geformt seyen, dass sie sich an dem Kopfe reiben. —
K r ii n i t z gibt nur drey Hauptursachen des Haarausfallens
an : ±. Entkräftung nach starken Krankheiten oder vom
Alter; 2- eine gewisse Schärfe, wodurch die lymphatischen
und öligen Feuchtigkeiten unter der Haut in Verderbniss ge-
rathen; und 3. eine besondere Trockenheit des Kopfes und
der Fettkügelchen, in welchen die Haare Wurzel fassen. Diesen
Ansichten werden sodann auch die angezeigten Mittel angepasst
* ***).
Ich habe oben den Mangel an Na h r u n g als ein Cau-
Liber Canonis p. 506.
**} A. a. O. p. 597.
***) A. a. O. p. 508.
salmoment angeführt; dagegen ist nach S. G. Vo g e l bey jungen,
robusten und saftreichen Leuten zuweilen gerade der entgegengesetzte
Umstand, nämlich die Plethora Schuld an dem
Uebel; eine Beobachtnng, welche übrigens schon F 0 r e s t u s
gemacht hat.
Fassen wir nun alle die genannten Ursachen zusammen, so
ergibt sich der allgemeine Schluss: dass sie s ich im Gr un de
sämmt l i c h e nt w e d e r a u f a l l g eme i n e L e b e n s schwäche,
g e p a a r t m i t d e u t l i c h e r He r a b s e t z u n g
d e sLe b e n s p r o c e s s e s in dem von der Kr a n k h e i t bef
a l l e n e n T h e i l des H a a r s y s t ems , o d e r a uf d iese
l e t z t e r e al lei n z u r ü c k f ü h r e n lassen. Man wird in
den meisten Fällen eine Trägheit im Blutlauf des Haarsystems
als Hauptursache anklagen können, indem dadurch letztere
nicht mehr die nöthige Nahrung geliefert wird. — Das Haar
gleicht hierin ganz der Pflanze, die unter solchen Umständen
auch abwelkt und endlich stirbt. Die Folge davon ist doppelt,
entweder wächst nämlich ein neues Haar nach, oder nicht; er-
steres geschieht m der gewöhnlichen Alopecia, letzteres bey
der Calvities senilis, wo alles abstirbt, und der ganze Zwiebelbalg
aufgesogen wird. — Bi ch at sagt, dass sich vor dem Abfallen
der Haare die Höhle ihrer Zwiebel nach und nach verkleinere,
und dass sodann der kleine Kanal, welcher die Wurzel
des Haars enthielt, zu verschwinden beginne; und ich
habe diese Angabe in der Erfahrung bestätigt gefunden. Die
angeführte Trägheit des Kreislaufs im Haarsystem bleibt selbst
da noch der letzte Grund des Uebels, wo wir es auf eine rein
dynamische Schädlichkeit, z. B. Gemüthsaffecte u. dgl. erfolgen
sehen. — Uebrigens hat man wohl auch, und zwar nicht
ganz mit Unrecht, einen scharfen Saft angeklagt, der den Haarbalg
desorganisirt, und ist auf diese Idee hauptsächlich durch
das Ausfallen der Cilien geführt worden, weil hier nämlich gewöhnlich
der Rand des Augenliedes versehwärt ist. Aehnliches
wollte man auch in der Tinea capitis, oder bey sonstigen tiefen
Excoriationen der Haut beobachtet haben. Wenn darunter
eine eigenthümliche ätzende Flüssigkeit verstanden wird, welche
ihre zerstörende Wirkung unmittelbar, so zu sagen speci-
fisch auf die Haarzwiebel richtet; so kann ich der Meinung
nicht beypflichten, indem ich vielmehr dieUeherzeugung habe,
dass in solchen Fällen eigentlich das den Haarbalg umgebende
Zellgewebe der Haut zuerst, und diese selbst von der exul