
ern Zeit stellte Mo r e a u der Pariser medicinischen Facultät
ein Kind vor, bey welchem die schnelle Entwicklung der Hoden
so auf die Erzeugung der Haare wirkte, dass seine Brust
im Alter von sechs Jahren wie die eines Erwachsenen behaart
war; und in London wurde ein ziemlich starker Knabe geboren
, dessen Kopf ganz mit Haaren bedeckt, dessen Stimme
sehr tief, dessen Schlaf schnarchend, und dessen Schamtheile
stark ausgebildet waren. Mit vier Monaten fing die Scham
an, sich mit starken schwarzen Haaren zu bedecken, der P e-
n is wuchs ausserordentlich, so dass die Krone von der Vorhaut
nicht mehr bedeckt werden konnte. Im zwölften Monat
hatte der Knabe schon neun der obern Zähne (von den untern
aber noch gar keinen), konnte, jedoch wegen des überaus
schweren Körpers nicht ohne grosse Mühe, gehen. Auch
bemerkte man, dass er wöchentlich einigemal Pollutionen
hatte, die ihn sehr angriffen; zugleich fand sich jetzt ein
ziemlich starker Backenbart ein. Geistig war er jedoch noch
ganz Kind *). — Ferner erwähne ich noch eines vierjährigen
Mädch ens, bey welchem die Entwicklung der Gebärmutter
und der Geschlechtsfunctionen überhaupt sehr vorausgeeilt,
und dessen ganzer Rücken auch mit blonden, krausen Haaren,
gleich einem Kalbsfelle bewachsen war **).
Endlich findet sich in der neuesten Zeit eine Beobachtung
von Th. Smi t h aufgezeichnet, wo sich bey einem, bey
der Geburt ziemlich schwächlichen Kinde die Zeichen eines
ungewöhnlichen Wachsthums erst im sechsten Monate nach
derselben offenbarten. Smi t h , der den Knaben in seinem
vierten Lebensalter sah, erstaunte über dessen Geschlechtsthei-
le, die bereits denen von 14—15 Jahren alten Jünglingen gleich
kamen. Schon damals war die Scham mit langen, gefärbten
Haaren besetzt. Als der Knabe sechs Jahre alt war, wog er
bey einer Grösse von vier Fuss 2‘/I0 Zoll, 74 Pfund. Jedoch
entsprach die relative Länge seiner Körpertheile keineswegs einer
gewissen Regel. Uebrigens waren Ruthe und Hoden so
gross, wie bey den meisten Männern, die Scham mit schwarzen,
gekräuselten Haaren, die Oberlippe mit einem kurzen,
*) Ans den Medico-chîrurg. Transactions published by the medical
and chirurgical society of London. Vol. XII. P. I. 1822.
**) Huf e l and’s Journal d. pract. Arzney • und Wundarzneykunst. 14.
Bd. 3. Stk. 1802
schwarzen Bart bedeckt, und als Backenbart fand sich bloss
eine Art Flaum von derselben hellbraunen Farbe, wie das
Kopfhaar*).
In physiologisch - pathologischer Beziehung ist es gewiss
eine interessante Thatsache, dass, so wie Bart- und Schamhaare
im normalen Verhältnisse den genauesten Consensus darstellen,
sich diess auch in der regelwidrigen Erzeugung des
einen und der andern meist sehr deutlich ausspricht, wie aus
den angeführteu Beyspielen zur Genüge zu ersehen ist.
§. 147-
Die ä r z t l i c h e Be h a n d l u n g der voranstehenden Abweichungen
der Bildungsthätigkeit theilt sich nothwendig in
eine a l l g eme i n e und eine b e s o n d e r e . Erstere hat zur
Anzeige und somit auch zur Aufgabe, entweder den allgemein
erhöhten Bildungstrieb zu schwächen, oder aber, wenn er bloss
örtlich ist, an den bezeichnten Orten zu beschränken, und somit
den Nachwuchs der zu üppigen Haare zu verhindern oder
auch ganz aufzuheben. Letztere muss vorzüglich dahin trachten,
die nun einmal bestehende Deformität zu heben, und übrigens
im Einklang mit der so eben angegebenen allgemeinen
Handlungsweise zu wirken.
Was nun die Mit t e l betriift, welche der ersten Anzeige
entsprechen, so ist in die Augen fallend, dass sie in der Regel
gerade jenen entgegen gesetzt seyn werden, welche ich weiter
unten Behufs der Beförderung des Haarwuchses anführen werde.
Indem ich also zugleich auf jenes Kapitel verweise, bemerke
ich nur, dass einerseits das Unterlassen der dort angerathenen
Heilregeln und Handlungsweisen, andererseits aber auch das
gerade entgegengesetzte Benehmen zur Erreichung des hier
vorgenommenen Zweckes dienen werden. Auch wird jeder
Arzt leicht einsehen, dass alles das, was die Productionskraft
des Organismus überhaupt und an besondern Orten schwächt,
hier mit der nöthigen Einschränkung seine Anwendung finden
könne. Insbesondere dürfte durch die revellirende, ableitende
und namentlich auf den Darmcanal antiphlogistisch purgirend
einwirkende Heilmethode der Bildungstrieb auf eine antagonistische
Art in der Haut zweckgemäss herabgesetzt werden.
*) E d i n b u r g h Journal of Science, July 1829- p- 26 — 34. Fro-
r i e p e’s Notizen. XXV. Bd, Nr. 13.