
ist die Krankheit im Allgemeinen um so leichter heilbar, je
früher, d. i. in je jüngern Jahren sie erscheint. Doch macht
hievon die angeerbte und angeborne, oder bald nach der Geburt
entstandene eine wichtige Ausnahme, indem gerade diese
Arten in der Regel aller Kunst spotten. Beginnt das Ergrauen
im anfangenden Mannesalter, dann ist, wenn nicht besonders
ungünstige Verhältnisse eintreten, gewöhnlich doch noch Hoff-
nung gegeben, dem schnellen Umsichgreifen einigermassen
Einhalt zu thun. Je näher aber die Zeit des Erscheinens dieses
Uebels dem hohem, oder eigentlichen Alter fällt, desto
unheilbarer ist dasselbe, und es würde an Wahnsinn gränzen,
die heiligen Schneelocken eines Greises aus Eitelkeit ihres
Schmuckes berauben, oder sie färben zu wollen.
Ehmals glaubte man, dass Menschen, welche schon in ihrer
frühen Jugend ergrauten, bald eines jähen Todes sterben
müssten. Die tägliche Erfahrung hat aber das Grundlose dieser
Furcht hinlänglich dargethan, und Rus h *) erwähnt eines
8ijährigen Greises, dessen Haare schon im 21sten Jahre silberfarbig
waren. V o ig tei* * ) kannte eine Familie, deren Mitglieder
schon mit dem 20sten Jahre graue Haare zu bekommen
pflegten, dennoch sehr gesund waren, und meistens sehr alt
wurden. Aehnliche Bemerkungen machten auch Zei l er ***)
und P l enk ****).
Rücksichtlich der Ur s a c h e n , aus welchen das Uebel
entstand, bemerke ich zuerst, dass sich unter den hieher gehörenden
Krankheiten vorzüglich die, auch daher sogenannte, weisse
L e p r a durch besondere Hartnäckigkeit, jawohl durch gänzliche
Unheilbarkeit auszeichnet. Bej, in Folge der übrigen
Krankheiten entstandenem Grauseyn ist gewöhnlich noch Heilung
möglich.
Nur in seltenen Fällen haben sich ferner die Haare wieder
gefärbt, wenn sie sich plötzlich in Folge eingetretener Ge-
müthsaffecte, Leidenschaften, Kummer und Sorgen gebleicht
*) Von dem Zustand des Körpers und Geistes im hohen Alter etc.
Aus dem Englischen in der Sammlung auserlesener Abhandlungen
für practische Aerzte. Bd. 17. p. 119.
**) Pathologische Anatomie 1. Bd, p. 89-
***) Epist. Cent, I. 17.
*»##) L e b « von den Kranithelten der Haut p, 2^2.
hatten. Dass auch hier das Al ter einen sehr wichtigen Einfluss
habe, ist leicht einzusehen.
Ich erinnere übrigens hier noch einmal, dass schwarze
Haare immer früher ergrauen als blonde, oder heller gefärbte;
ferner, dass krause Haare auch nicht so frühzeitig grau werden
als andere, und dass die Weiber von diesem Uebel ebenfalls
seltner und später befallen werden, als die Männer.
§. 165.
Die ä r z t l i c h e B eh an dl un g dieses Uebels findet in
doppelter Beziehung Statt. Denn entweder besteht die Anzeige,
den Nachwuchs oder die Vermehrung der grauen Haare
zu verhindern, und dagegen das Hervorsprossen normal gefärbter
zu befördern; oder aber man hat bloss die Absicht,
die ergrauten Haare für einige Zeit anders zu färben. Erstere
wäre die rationelle, gründliche, letztere die palliative Methode.
Es versteht sich übrigens von selbst, dass sowohl die
eine, als die andere nur beym frühzeitigen, nicht aber bey dem
Altershalber entstandenen Ergrauen der Haare in Anwendung
zu bringen sey; denn ich müsste wahrlich den Mann bedauern,
der wenn auch einige Jahre früher als ein anderer ergraut,
nach zurückgelegtem 6osten Lebensjahre noch ernstlich an eine
Verbesserung, oder wohl gar an Hebung des seiner Eitelkeit
im Wege stehenden Uebels denken wollte. Daher sagt
S e n n e r t mit Recht: „Naturale hocce decus fu c is et pigmentis
tegere pelle, meretricium est et lu x u r iö s em “ und Mart i a l * )
schildert einen solchen Gecken also:
Mentiris juoenem tinctis, Lentine, capillis,
Tarn subito coruus, qui modo cjgnus eras.
Non omnes fa l l i s ; seit te Proserpina canum,
Personam capiti detrahet illa tuo.
Um aber das Uebel g r ü n d l i c h zu hei len, muss
in jedem Falle dem Wesen desselben, d. i. der mangelhaften
oder gänzlich aufgehobenen Absonderung des färbenden Prin-
cips entgegengearbeitet werden. Diess geschieht nun
a) Durch Entfernung der Gelegenheitsursachen, wo diess möglich
ist.
Von dieser Massregel allein wird man jedoch in der Regel
nur da einen heilsamen Erfolg erwarten können, wo das
*) Lib. 5. Epigrammat.
Eble’s Lehre von d. Haaren, II. Bd.