
crativen Entzündung ergriffen wird, und die Alopecie nur als
eine consecutive Erscheinung derselben zu betrachten sey.
W as das Ausfallen der Haare nac h gewis sen K r a n k-
h e i t e n betrillt, so scheint es, dass bey grossen Eingriffen in
die Oekononue des Lebens die Natur ihre ganze Aufmerksamkeit
dahin richtet, das Leben mit ganzer Kraft gegen die
wichtigsten Organe zu richten, und dagegen die Ernährung
des Horngewebes zu vernachlässigen, oder ganz zu opfern._
Wenn übrigens die Haare in Folge einer acuten Krankheit
das erstemal ausfallen, so kommen fast eben so viele andere
wieder nach, däs zweytemal nimmt die Zahl der nachwachsenden
schon a b , das drittemal bleibt der Kopf ganz kahl.
Zuweilen kommen zwar die Haare wieder, aber mit ganz andern
Farben. So erzählt Vi 11 er me *) die Geschichte eines
lßjährigen Mädchens, das in einem Winter nach einem vorübergehenden
Kopfschmerz nach und nach alle Haare verlor.
Im folgenden Jahre bedeckte eine Art schwarzer Wolle die
Stellen des Kopfes, wo die Haare zuerst verloren gegangen
waren, und auf dem übrigen Kopfe kamen braune. Jene und
diese wurden nun weiss. Darauf fiel ein Theil davon aus,
nachdem sie 3—4- Zoll lang geworden waren, und die andern
veränderten unweit ihrer Spitze die Farbe, und wurden in ihrer
übrigen Länge nach der Wurzel zu kastanienbraun__ Lemery**)
erzählt ebenfalls ein solches, auch in andrer Beziehung
merkwürdige Beyspiel: Einige Monate nach einer sehr
starken Entleerung (?) sah ein Mensch seine Haare abfallen.
Erst nach einem Jahre fingen die neuen Haare an, hervorzu-
wacbsen 5 jedoch waren seine Haupthaare jetzt schön blond,
da sie früher zu den schwarzen gehörten.
Unser verehrter Herr Prof. Bisch off theilte mir folgenden
erst vor Kurzem beobachteten Fall mit: Ein junger
Mann von 28 Jahren erschrak sehr bey dem Besuch, den er
einem Nervenfieberkranken machte. Bald darauf befiel ihn
ein gastrisches Fieber, und in der Genesungsperiode desselben
verlor er nach und nach alle Haare* am ganzen Körper,
die er denn auch nach Verlauf von drey Jahren nicht wieder*)
Diction, des sciences med. t. V. p. 502, und im Journal general de
Med. tom. 69* p. 213.
**) In den Histoires de PAcademie des sciences Annee 1702. p. 29.
kehren sah, indem er bis auf diese Stunde am ganzen Körper
kahl blieb.
F r a n k sah auch einen starken jungen Mann, der nie
krank gewesen war, ausser 13 Jahre vorher an der Lustseuche.
Diesem waren seit zwey Monaten fast alle Haare des Kopfes,
Bartes, der Augen und Scham abgefallen, so wie auch die
Nägel abgestorben. Dabey blieb seine Stimme unverändert,
und er konnte den ehelichen Beyschlaf ohne Mangel an Kraft
verrichten *).
Doch ist der Fall nicht so gar selten, wo man vom Ausfallen
der Haare g a r k e i n e n G r u n d anzugeben im Stande
ist. Daher haben die Autoren gar nicht Unrecht, die bey diesen
Verhältnissen eine eigene, meistens e r e r b t e A n l a g e
zu dieser Krankheit annehmen. Es beherzige desshalb derPby-
siognomiker und Psycholog den Umstand wohl, dass zwar in
vielen Fällen die Kahlheit des Jünglings im Gegensatz zu der
des Greises ein beschämender Beweis einer ausschweifenden Lebensart
sey; dass es aber auch, wie S. G. Vogel sagt, Glatzen
gebe, die ein Familienübel sind, und ohne irgend eine
Verschuldung schon in frühem Jahren entstehen.
Aus dem früher Gesagten leuchtet sattsam ein, dass die
Calvities senilis wirklich eine wahre Gangraena capillorum, ähnlich
der Gangraena senilis an den Füssen, und daher eine blosse
Folge des Alfers sey.
Ich habe schon angeführt, dass die Haare vor der Pubertät
nur äusserst selten ausfallen; diess sprach schon A r i-
stotel-e's **) aus, wenn er sagte: ovSers^ov ls rovrcav t r v ^ a i v s i
ov'hevi, vqiv tu a<ppoöi<riuc:siv x i ; eben so merkwürdig ist es,
dass, wie uns ebenfalls schon A r i s t o t e l e s berichtet, ein
Mensch, den man schon vor seiner Mannbarkeit zum Eunuchen
machte, je weder Scham- noch Barthaare bekommt, dass er
aber später entmannt, Bart- und Achselhaare nur mit der
Zeit verliert. Dennoch sah Cu l l e r i e r zu Bicetre einen Gefangenen,
der vor einigen Jahren eine vollkommene Castration
erlitten, und dennoch einen starken Bart hatte; ferner einen
Narren, der sich in einem Anfall von Wahnsinn Ruthe und
Hoden schon vor mehreren Jahren abgeschnitten hatte, und
*) Grundsätze über die Behandlung der Krankheiten Bd. IV. p. 117.
Vergleiche Mo r g a g n i I. c, Episl, XLVI. 2.
**) Hist. lib. III. cap. 40.