
untersuchen, Moses aber zu widerlegen wagte. — Nach ihm
ist die Erzeugung der angebornen Haare der allgemeinen plastischen
Kraft, jene der später erzeugten der blossen Austreibe-
kraft (soll facultati expultrici) zuzuschreiben; und den eigentlichen
Ursprung *) der Haare hält er für doppelt, einmal von
der Vorsehung des Schöpfers, und dann von der Natur des
Ortes, so wie bey Pflanzen und Gräsern, bedingt. Nichts desto
weniger erklärt er sich über die Materie, aus welcher die Haare
entstehen, an einem andern Orte folgendermassen: Dum a calore
corporis nostri fuhginosi crassique uapores a tcrtici coctionc in
corporis nostri partibus eleoantur, et ad poros cutis pelluntur, in
quorum angustiis diu haereant, conglulinentur, donec1 tandem
poro repleto alius atque alias vapor subiens hunc impellat, quem
vicissim alius, atque ita e poro extrudat, ut ejusmodi teres et
longum corpus existat, et pi los J'ormetur, qui postea similibus
vaporibus succedentibus pilum protrudentibus , ejusque radici sese
agglutinantibus, prolongetur.“ Diese rein mechanische Vorstellung
von der Bildung der Haare veranlasste natürlich mancher-
ley gegründete Einwürfe. Nichts desto weniger blieb die Ga-
l e n ’s c h e Theorie bis ins ±7. Jahrhundert auch in diesem
Puncte die vorherrschende. Denn selbst der sonst so reichhaltige
Schriftsteller und emsige Anatom Fab ri z i u s ab Aqua-
p e n d e n t e **) lässt die Haare noch aus einem trocknen Dunst,
der sich durch die Wärme von den unterliegenden Theilen erhebt,
nach aussen dringt, und von seinen Wurzeln per par-
tem post partem Zuwachs erhält, entstehen. — Ich kann mich
nicht genug wundern, dass lange vorher der Araber E b n
Sina*** *) sich mit einer in dieser Sache wirklich beyspiellosen
Weitläufigkeit über die Pa t h o l o g i e der Haare, noch mehr
aber über die Th e r a p i e , und namentlich über die verschiedenen
Ha a rmi t t e l auslässt, ohne sich [auch nur im Mindesten
um das a n a t omi s c h e und p h y s i o l og i s c h e Ve r h ä l t nis
s dieser Gebilde zu kümmern. Denn er scheint sich mit
den G a le n ’schen Ansichten ganz zu begnügen ****), und sagt
*) De usu partium. De pilis Cap, I 4. p. 378__79.
**) Opera omnia annat. et phys. Anno 1565. De pilis p. 445.
***) Libe r canonis in medicina. Anno 1484.
*** ) »Capillus nascitur ex vapore fumoso, qui coagnlatur in poris , et
o n tu r super eos per i d , quod su c c ed it, et reslauratur ex alibloss
von den Auge n li e d e r h a a r e n , dass sie aus d e r
Me ng e einer in den Au g e n l i e d e r n a n g e s amme l t
en f a u l e n Flü ss igkei t ent s tehen.
Ca r o l u s S t e f f a n u s *) folgt ebenfalls ganz den Galen
’schen Theorien. Ad r i a nu s S p i g e l i u s **) hingegen
nimmt drey Ursachen oder Kräfte an, aus deren vereinter
Wirkung die Haare entstehen. Diese drey Ursachen sind:
die Causa materialis, ejficiens und finalis. Fast gleicher Meinung
ist auch An d r e a s L a u r e n t i u s ***), nur setzt er
noch eine vierte Ursache, nämlich die formalis hinzu, indem
er sagt: „Materia seu causa materialis pilorum duplex est, ex qua
et in qua. Ma t e r ia , e x qua generanlur pili, excrementum est
tertiae coctionis, fulginosus quippe vapor rariora cutis spiracula
permeans. Mate r ia in qua, cutis est moderata, sicca et rara. E f-
f i c i e n s pilorum causa calor est moderatus, quifuliginosas uapo-
res pellit in cutis spiracula, et ita siccat, ut pili naturam, formam-
que induant. Fin a l i s pilorum causa triplex est, subjeclarum par-
tium tutela, ornatus et fuliginosorum excrementorum expurgatio.“ —
Re a l d u s Co l umbu s ****) lässt die Haare aus dem F e tt
der Haut entstehen: „Pili alimentum a pinguedine irahunt,
itaque augescente eorum substanlia sicca est.“
S e n n e r t f ) schien die Mängel dieser Theorien wohl
zu fühlen, und suchte daher auf einen andern Ursprung der
Haare zu kommen. Er glaubte nämlich nicht zugeben zu
können, dass die Haare bloss von E x c r eme n t e n oder Dünsten,
die vom Körper aufsteigen, an gewissen Orten hängen
bleiben, abzuleiten seyen; sondern nahm seine Zuflucht zu
einer eigenen Kraft, die er die h a a r b i l d e n d e Kra f t
„Facultas formatrix et pilifica hiess.“ Aus diesem Bildungsvermögen
erklärt er nun alles nach Belieben; z. B. warum
die Weiber keine Bärte haben? Quia facultatem pilificam aliis
mento, et p ro p rie , quando humiditas corporis est viscosa, unctuo-
s a , non aquosa, neque lu to sa , sicut arborum unctuosarum folia
non cadunt.® — De disposit. capillor. c. 1 . lib, IV. fern. VI.
■*) Anatom. Parisiis 15*10.
**) De human, corporis fabrica. Anno 1545.
***) Historia anatom, corp. hum. Anno 1599-
#***) De re anatomica. p. 255. Anno 1559.
D Opera omnia. Pars III. Sectio 2da. cap. 1. D« pilorum natura.
Anno 1632,
1
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