
§. 191-
Es erübrigt jetzt noch, etwas über die Pr o p h y l a x i s
dieser bösen Krankheit zu sagen. Zuvörderst handelt es sich
um die Erörterung der Frage: ob diese Krankheit a) in einzelnen
Fällen, oder b) überhaupt und im Ganzen verhütet,
und ob sie c) somit auch ganz ausgerottet werden könne.
So viel ich aus den hierher gehörigen Schriften entnommen
habe, kann auf alle diese Fragen bejahend geantwortet
werden. Auch steht dieser Annahme die aufgestellte Aetiologie
des Weichselzopfes durchaus nicht im Wege. Denn soll ein
Uebel verhütet oder ganz ausgerottet werden, so muss man
ihm die Wurzeln abschneiden. Der Weichselzopf wurzelt aber
in den eigenthümlichen Sitten und Gebräuchen, und wohl
auch, aber viel schwächer in den klimatischen Verhältnissen
von Pohlen. Beyde müssten also geändert werden, wenn der
Zweck erreicht seyn sollte. Es müsste also vorerst der in
Pohlen allgemein verbreitete Glaube, dass der Weichselzopf
ein sicheres Mittel gegen alle nur möglichen körperlichen Leiden
sey, abgeschalft, und mit diesem als unmittelbare Folge
auch die in der Anmerkung beschriebenen, in den allermeisten
Fällen höchst schädlichen, und zur Erzeugung eines
künstlichen Weichselzopfes ausserordentlich günstigen Ver-
fahrunrrsweisen verbannt; das Schicksal der armen Bauern
verbessert, ihre Bekleidung und Wohnungen menschlicher eingerichtet
, sie selbst zur Reinlichkeit und was sehr wichtig ist,
zur Industrie, der Quelle des Reichthumes angehalten; daher
ihre Abneigung gegen Bäder überhaupt überwunden, und namentlich
die russischen Dampfbäder eingeführt werden.
Eine besondere Berücksichtigung verdient die Haut- und
Haarcultur, namentlich des Kopfes. In diesem Bezüge müsste
das beständige Tragen der allzuwarmen Kopfbedeckungen,
der Pelzmützen vermieden, und auf der andern Seite der
Kamm, welchen einige Schriftsteller als ganz allein zur Ausrottung
des Uebels hinreichend ansehen, allgemein eingeführt
werden. Rücksichtlich der bereits mit der Krankheit Behafteten
müsste zuerst eine Sonderung der wahren von den falschen
Weichselzöpfen gemacht, und letztere durch polizey-
liche Anstalten, wie sie gegen ansteckende Krankheiten gang
und gebe, unn namentlich für diesen Fall von J. F r a n k *)
'_) A. a. 0. §. 148.
angegeben sind, aus den allgemeinen Versammlungsorten
u. s. w. verbannt, und das Ganze überhaupt mehr auf dem
Wege der Belehrung und Aufklärung als durch, ohne Noth
herbeygeführten, verhassten Zwang zu erzwecken versucht
werden.
Wäre man so glücklich dieses zu erreichen, so würde
gewiss die Macht der klimatischen Einflüsse zur Hervorbringung
des Weichselzopfes so geschwächt werden, dass künftig
der Eingeborne des Landes eben so selten von dieser
scheusslichen Krankheit befallen würde, als diess heut zu
Tage unter den eingewanderten Deutschen und andern Ausländern
Statt hat.
A n m e r k u n g 1. Auch bey den T h i e r e n hat man den Weichselzopf beobachtet,
und zwar sind vorzüglich die Pferde ihm unterworfen,
so zwar, dass S c h l e g e l z. B. von R u s s l a n d sa g t, dass von
ß — 7 Pferden wenigstens eines damit befallen sey. Diess ist um
so me rkwürdiger, als die Krankheit früher in R u s s l a n d sehr
selten war. Auch findet man sie häufiger bey den Pferden in
der Siadt, als bey jenen auf dem Lande. So ist es auch in P o h len
se lb st, und der beste Beweis dafür i^t wohl der Bericht des
Dr. Wo l f r a m m , dass man beym Einkäufen der Pferde immer zuerst
nach solchen fragt, welche die K rankheit schon überstanden haben,
weil man diesen eine stärkere Constitution zutraut. — J o u r d a n
sah in S c h l e s i e n auch viele Pferde mit Weichselzöpfen, v o rzüglich
in der Gegend von G l o g a u und L i e g n i t z ; ja selbst
in dem angränzenden Böhmen. So muss man sich denn auch zum
Theil jene Geschichten von ausserordentlich langen P ferdemähnen
und Schwänzen e rklären, denn sie werden wohl in der Mehrzahl
von Pferden h e rrü h ren , die den Weichselzopf hatten. U n te r diese
Klasse scheint das Paradepferd A u g u s t ’s I I . , Königs von P o h len,
welches ich im Museum zu D r e s d e n im Jahre 1827 sa h ,
u n d dessen Schopf 3 E lle n , dessen Mahne 8 Ellen und dessen
Schwanz 12 Eilen lang war, zu gehören. S e n n e r t erzählt ein ähnliches
Beyspiel. Doch gibt es in R u s s l a n d und P oh l en eine
sehr beliebte Rasse von Pferden , welche wirklich von Natur so
lange Haare h ab en , dass selbe bis auf die Knie, ja selbst bis auf
die Erde hängen. — .Ob auch andere Thiere , namentlich Hunde,
F ü ch se , Wölfe, Schafe und selbst das Rindvieh dieser Krankheit
unterworfen sind , kann ich nicht entscheiden , da die Meinungen
hierüber sehr getheiit sind. Denn während L a f o n t a i n e und Ga s e
den Weichselzopf bey einem Hunde , ersterer u n d T y l k o w s k y
bey einem Ochsen beobachtet haben wollen, sagt auf der andern
Seite wieder S c h l e g e l gerade das Gegentheil; es scheint also
dass eine solche Beobachtung als ausserordentlich und der Fall
selbet als Ausnahme betrachtet werden müsste. Dass übrigens
Eble s Lehre von d. Haaren. II. Bd, 24-