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und vorher mit warmer Milch etwas aufgeweichten Haare abzuschneiden,
und dann den Kopf mit einer nicht zu schweren
Bedeckung, am besten aus Leinwand, gegen Erkältung zu
schützen.
In jenen Fällen, wo die En t f e r n u n g der k r anken
Haarwu r z e l n angezeigt ist, kann ein doppeltes V erfahren eingeschlagen
werden. Entweder nimmt man sich die Mühe, die
Haare einzeln mit einer kleinen Zange (Pincette) auszureissen,
oder aber man bedient sich des Pechpflasters, und zwar auf
eine doppelte Art, indem man wiederum entweder nur einzelne
Streifen desselben stellenweise anwendet, oder unter der
Form einer Haube (Pechmütze) alle kranken Haare auf einmal
entwurzelt.
Die meisten Schriftsteller sind heut zu Tage mehr für
das erste Verfahren gestimmt, und wollen überhaupt nur in
äusserst hartnäckigen Fällen ihre Zuflucht zum Pilaster, nie
aber zur Pechhaube nehmen, weil, wie leicht einzusehen, dieser
schmerzhafte Eingriff zu heftig ist. — Jederzeit wird man
übrigens wohl thun, wenn man die Haare vorher in eine gleiche
Richtung bürstet, nachdem man früher schon die Krusten
und Borken mit warmer Milch, einer öligen oder schleimigen
Flüssigkeit aufgeweicht hat.
Wenn der Kopf-Grind noch keine so grosse Ausbreitung
gewonnen hat, so halte ich das einzelne Ausreissen der Haare
mit der kleinen Zange für ein gewisseres und weniger schmerzhaftes
Mittel, vorausgesetzt, dass der Arzt mit seinem Instrumente
umzugehen weisß, und dann die andern Mittel nicht
verabsäumt werden. Die Hauptsache besteht darin, dass die
Pincette so tief als möglich angesetzt, und dann das ergriffene
Haar schnell ausgezogen werde.
Die für den genannten Zweck empfohlenen Pflaster werden
entweder längere Zeit liegen gelassen, oder nach Verlauf
einer halben oder ganzen Stunde abgerissen. Erstere bestehen
aus Ammoniak-Gummiharz und Essig *), oder aus schwarzem
Peche **) ; letztere aus weichem Pech mit etwas Roggenmehl
und Olivenöl.
Nach vollendeter Operation wird der Theil gereinigt,
mit Seifenwasser oder einer schwachen Lauge gewaschen, und
*) E v e r s in den Gotting, gelehrt. Anzeigen 1790. Stück 4, p. 4Q1.
■**) F r a n k Epitoine. tom. 4. p. 206.
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die Glatze nun entweder sich selbst überlassen, oder durch
passende Mittel zur schnellem Erzeugung der Haare geeignet.
A nm e r k u n g . A l i b e r t ist ebenfalls ganz gegen die Anwendung der
Pecbmütze. Auch haben die Versuche darüber im Spital S t .
L o u i s nicht die günstigsten Resultate geliefert. A l i b e r t h a t
viele geheilt mit einer Salbe aus ungesalzenem Schweinsfett und
Schwefelblüthe; auch leichtere u nd öftere D o u c he s von Schwefelwasser
rü hm t er sehr an. Statt der Pechhaube bedient er sich ,
um die Vitalität der Haut zu a lte riren , einer P o m a t e e p i l a -
t o i r e aus verkäuflicher Pottasche und kohlensaurem Kalk. E inige
Tage nach dem Auflegen fallen die Haare a b , die Haut
wird weiss, und der Kranke g eh e ilt, wenn man zugleich in n e rlich
Schwefelmittel u n d reinigende Säfte un d Pflanzen gibt.
In dem fü r die Hautkrankheiten bestimmten Spital zu R o m besteht
die Behandlung des Kopf-Grindes d a n n , dass man denKin-
dern die Haare mit den 'Wurzeln mittelst einer Zange au sre isst,
wobey sich in der Regel diesen Dienst, der oft wiederholt werden
muss, die Kranken gegenseitig leisten. Sind die Haare ausgerupft,
so übernimmt ein Priester die weitere Behandlung, indem er mit
einem , für jeden Kranken neu geschärften Rasiermesser zarte
Schnitte über den ganzen Kopf macht, u n d letztere eine Zeit lang
bluten lässt. Dann wird eine Salbe eingerieben, und der Kopf beständig
mit einer Blase bedeckt *).
§. 156-
Die ausserordentliche Menge d e r z u r Be f ö r d e r u n g
des Ha arw u c h s e s von den ä l t e s t e n bis a u f u n s r e
n e u e s t e n Z e i t e n v i e l f a c h emp f o h l e n e n Mi t t e l ,
ihre grosse Verschiedenheit, und der doch von allen gleich
angerühmte gute Erfolg machen es für den wissenschaftlichen
Arzt zum wahren Bedürfniss, sie gehörig zu ordnen, und ihre
Heilkräfte näher zu bestimmen.
Da sich, wie oben erinnert wurde, beynahe alle angegebenen
aetiologiscben Momente dieser Krankheit im Grunde
auf allgemeine, oder örtliche Lebensschwäche, oder auf beyde
zugleich zurückführen lassen; so ist begreiflich, wie auch die
meisten, wo nicht alle dagegen in Gebrauch gezogene Mittel
dahin abzwecken, den gesunkenen Lebensprocess allgemein
oder örtlich zu steigern, und so die Erzeugung der Haare zu
befördern, oder von Neuem hervorzurufen.
') Aus dein E d inburgh, medical and surgical Jo u rn a l for October 1826.