
noch in die Augen fallender, da sich die Haare dieser Thiere
zuerst als wirkliche Kiemen, und dann als vertrocknete darstellen,
und sich dadurch von den Haaren der hohem Thierklassen
wesentlich unterscheiden, welche nur in der letztem Eigenschaft,
nämlich als einfache, in der Luft vertrocknete Hautkiemen
in die Erscheinung treten. Aus diesem Grunde mag es
auch einleuchten, dass die Haare der hohem Thierklassen und
des Menschen als Athmungswerkzeuge oder Kiemen doch lange
nicht die hohe Wichtigkeit für die Oekonomie des Körpers
haben, als jene der niedern Klassen, indem diesen ein Organ
fehlt, welches die Function des Athmens in jenen auf die vollkommenste
Weise bewerkstelligt, ich meine die Lungen. —
Noch muss ich bemerken, dass gerade diejenigen beydenThierklassen
, in welchen das Haarsystem eine Hauptrolle spielt, und
wenigstens in extensiver Hinsicht zu seiner höchsten Entwicklung
gelangte, (ich meine die Insecten und Vögel) , sich auch durch
vorwaltend ausgebildete Respiration vor den übrigen auszeichnen.
Durch diese Annahme werden die Haare nicht nur aus
ihrer unverdienten Geringschätzung zu einer wichtigen, organischen
Würde erhoben, sondern auch die eben so auffallenden,
als bisher räthselhaft gebliebenen Wirkungen einigermas-
sen erklärt, die wir bey sehr vielen Zuständen in den Haaren
auftreten sehen, und welche das Leben in seiner Totalität
ergreifen; z. B. das plötzliche Ergrauen nach statt gehabten
heftigen Leidenschaften, die auffallend guten oder auch bösen
Folgen des Haarabschneidens in gewissen Krankheiten u. s. w.
Alles dieses gewinnt noch einen viel grossem Werth, wenn
wir die e l e c t r i s c h e n Wechselverhältnisse genauer mit in
Anschlag bringen, welche zwischen den Haaren und der Atmosphäre
so augenscheinlich bestehen. Jedermann weiss, und
es ist auch schon oben erinnert worden, dass die Haare der
Menschen und Thiere idioölectrisch, dass sie mit einem andern
Ausdrucke schlechte Leiter für die Electricität sind; auch hat
man zu allen Zeiten zugegeben, dass gerade die Haare vorzugsweise
vor allen übrigen Organen des Körpers zur Anhäufung
des electrischen Fluidums, und zur Hervorrufung oder
Erzeugung sogenannter electrischer Erscheinungen geeignet
sind. — Ich will gerne beystimmen, dass manche jener Erzählungen
von Haaren, die während des Kämmens, oder, was
noch wichtiger ist, bey einer Gewitterluft, von einem leuchtenden
Scheine umgeben waren, oder gar feurige Funken von
sich gaben, in das Reich der Fabeln gehöre; dessen ungeachtet
kann die Wahrheit nicht beinträchtigt, und daher auch
die Glaubwürdigkeit wenigstens mancher derselben nicht in
Zweifel gezogen werden. So erzählt uns selbst Dr. Jahn*)
dass ein Freund von ihm einen Mann kannte, der jenen Schein
zeigte, immer beym Anfang eines Gewitters aufs höchste exal-
tärt dann aber wie berauscht, und nur mit Mühe vom Einschlafen
abgehalten wurde. Es ist allgemein bekannt, dass
man aus den Haaren vieler Thiere, namentlich einiger aus dem
Katzengeschlecht, durch Streichen electrische Entladungen
hervorrufen kann, die sich sogar durch Funkenwerfen charak-
terisiren. J a h n beobachtete selbst zwey Menschen, einen roth-
und einen schwarzhaarigen, deren Haare bey heiterer Winterluft
durch Reiben Funken gaben, und zwar waren die Funken
häufiger beym Jlothkopf, als bey dem schwarzhaarigen Bäckergesellen
, dessen Haare übrigens dabey weit mehr knisterten,
als die des andern. — Dass ein Pelz mehr erwärmt, dessen
rauhe Seite nach aussen gekehrt ist, rührt bloss daher,
dass die Haare die Electricität und Wärme zuleiten.
So sehr also die wahre Bedeutung dieser gewiss sehr wichtigen
Erscheinungen noch im Dunkeln liegen mag, so kann
denn doch nicht geläugnet werden, dass a) die Haare offenbar
zur Ansammlung, zur Condensation der electrischen Materie
dienen, und das sie b) eben dadurch auch in einer ganz eigen-
thümlichen Beziehung zu der atmosphärischen Luft, und namentlich
zu einigen ihrer Bestandtheile stehen. Unter diese gehört
nun vor allen der Sauerstoff, von welchem wir wissen,
dass er bey allen electrischen und galvanischen Vorgängen
eine Hauptquelle für die Entwicklung der Electricität ist. Da
nun aber gerade der Sauerstoff den Athmungsprocess so vor-
tlieilhaft unterstützt, und somit auch den ganzen Lebensprocess
auf eine ganz eigene Art anregt, so wird die Bedeutung der Haare
als Athmungswerkzeuge dadurch nur um so wahrscheinlicher.—
Gasarten sind es also zunächst, und nicht allein tropfbare
oder gar feste Körper, die ihren Umtausch in den Haaren
erleiden, und electrisches Fluidum ist es, das aus der Atmosphäre
dem Haare mitgetheilt, von diesem auf eine eigenthüm-
liche Art gewissermassen absorbirt, zurückgehalten, und wahrscheinlich
durch die Haarzwiebel dem Körper mitgetheilt wird.
*) A. a. O. P. Rh 2. ThI.