
Die Gründe, welche uns zu der Annahme berechtigen,
dass uns e r e Haa r e wi r k l i c h zur Bed e c k u n g und
zum Sc h u t z e d i e n e n , sind folgende:
1) Wir finden die Haare vorzüglich an jenen Stellen entwickelt,
weiche den äussern Einflüssen zunächst ausgesetzt
sind. Die Natur scheint demnach den Zweck gehabt zu
haben, unsern Organismus gegen diejenige Seite, wo ihn
die kosmischen Einwirkungen der grossen Natur vorzüglich
treffen, schärfer zu isoliren, und dadurch mehr gegen
erstere zu schützen. ' t
2) Die Haare sind schlechte Wärmeleiter, und in so fern
ganz geeignet, gegen die Kälte zu schützen.
3) Dass sie aber letzteres wirklich thun, beweisen mehrere
Thatsachen unwidersprechlich: Wie empfindlich ist uns
nicht die Kälte bey frisch geschornem Kopfe? Und wie
nachtheihg kann das Abschneiden der Haare gerade in
der strengen Jahrszeit, im Winter werden, wenn diese
schützende Decke nicht durch künstliche Mittel ersetzt
wird? Die Haut des frisch geschornen Kopfes dünstet
ungleich weniger aus, als die behaarte (abgesehen von der
eigenen Ausdünstung der Haare), weil die nun freyer und
stärker einwirkende Kälte die Secretions-Thätigkeit in derselben
beschränkt, ein starker Haarboden aber durch Unterhaltung
einer hohem Temperatur , selbe betätiget
u. s. w.
4) Wenn ich auch der Aussage des B u s b e q u i u s (der auf
seiner Reise nach Constantinopel einen Mann sah, qui sclo-
peti ictum capilhs suis eludebat) keinen grossen Glauben
schenken kann; so ist auf der andern Seite doch nicht zu
leugnen, dass die Haare auch bloss in mechanischer Bezie-
hung als Schutzmittel des Kopfes angesehen werden können.
Auch fehlt es nicht an Beyspielen, dass ein sehr starke
» Kopfhaar die Kraft eines Schlages, ja selbst eines Säbelhiebes
bedeutend verringerte.
5) Die Richtung der Haare ist nicht durchaus dieselbe, sondern
verschieden nach den verschiedenen Theilen , auf
welchen sie wachsen. Doch sind sie meist so gelagert,
dass eins das andere zum Theil bedeckt. Auf diese Art bilden
sie selbst wieder für den betreffenden Theil eine vollkommene
Decke, und erleichtern, indem ihre Spitzen alle
gegen die Peripherie des Körpers gehen, den Abfluss des
Schweisses sowohl, als auch des Regens, das Abfällen des
Staubes u. dgl.
6) Dass unser Haupt vor allen übrigen Theilen vorzüglich
behaart ist, glaube ich zum Theil davon herleiten zu können,
dass es mir naturgemässer scheint, ein freyes, unbedecktes
Haupt zu tragen, als es in, mitunter so zweckwidrige
und närrische, Bedeckungen zu hüllen. Jenes konnte
aber nur dadurch erreicht werden, dass uns die Natur mit
einem schönen dichten Haarwuchs, mit einer Kopfmähne
beschenkte. Desshalb tragen auch alle unabhängigen, noch
im Naturstande lebenden Völkerschaften das Haupt meist
unbedeckt.
ß) Menschen, die unter wilden Thieren zu leben genöthiget,
und somit auch allen Unbilden des Klima und der Jahrszeit
ausgesetzt waren, wurden endlich ganz behaart. Offenbar
kam die Natur ihren Bedürfnissen durch diese auffallende
Bedeckung auf eine sehr zweckmässige Art zu Hülfe.
Fast aus demselben Grunde pflegen unsere Haare im Winter
stärker zu wachsen, als im Sommer, und haben die
Menschen in nördlichen Klimaten einen stärkern Haarwuchs
als in südlichen Gegenden. Endlich
7) Sprechen auch die schädlichen Folgen des Haarabschnei-
dens bey Reconvalescenten in gewissen Krankheiten sehr
zu Gunsten des zu beweisenden Satzes.
A nm e rk u n g . In wiefern auch die übrigen Haare, z. B. der Aug-
b r a u n e n , der B ru s t etc, diesen Dienst leisten, soll weiter unten
auseinander gesetzt werden.
§. 137-
1>) Sie s i nd e i n e Zi e r d e de s Kö r pe r s .
Ich abstrahire jetzt von dem philosophisch-ästhetischen
Begriff von Schönheit überhaupt, und will in Bezug auf die
Haare wenigstens das für schön haken, was von allen Nationen
der Erde dafür angesehen wird. In dieser Hinsicht ist es
bekannt, dass die bey weitem grössere Anzahl der verschiedenen
und namentlich alle civilisirten Völkerschaften der Erde
keinen Menschen für schön halten, der ohne Haare ist.
Dagegen beweist insbesondere die ausserordentliche Sorgfalt,
welche man fast bey allen Nationen auf den llaarputz von je