
Alpzopf, Schrottlingszopf, Schrötleinszopf, Bichtelzopf, Schrai-
telzopf, Truden- oder Hexenzopf; h o l l ä n d i s c h : Hairvlegt-,
s chwe di sch: Hartofwa oder Martofwa; däni sch: Marlock.
Die meisten dieser Benennungen beruhen auf irrigen, viele
sogar auf abergläubischen Ideen, in welche wir nicht weiter
eingehen wollen.
§. 175-
Vaterland und Ausbreitung der Krankheit.
Glaubwürdigen Nachrichten zu Folge hat man bis aul
diesen Tag den Weichselzopf in verschiedenen Gegenden Europas
beobachtet, obgleich es eine ausgemachte Sache bleibt,
dass P o h l e n und die angrenzenden Gegenden von Rus s l
a n d und Ungarn, im strengsten Sinne jedoch nur ersteres
als das wahre Vaterland dieser merkwürdigen Krankheit anzusehen
ist. Hauptsächlich sind es die Ufergegenden der Weichsel
und des Dniepers, also Li t h a u e n und Samo g e t i e n ,
welche sich das Uehel noch gegenwärtig zum vorzüglichsten
Wohnsitz gewählt hat. Doch hat sich die Krankheit keines-
weg's, wie man wohl glauben möchte, auf sumpfige und morastige
Gegenden beschränkt, sondern man trifft sie, obgleich
weit seltener, auch in trockenen und bergigen Landschaften
Po h l e n s an.
Merkwürdig ist es immer, dass mit der fortschreitenden
Kultur dieser Länder auch diese Krankheit nach und nach an
Ausdehnung abgenommen hat; denn in frühem Zeiten sah man
sie auch in Ho l l a n d , im Ei sas s , im Brei sgau, und überhaupt
an den beyden Ufern des Rheins. S e n n e r t beobachtete
sie bey einem Soldaten in Th ü r i n g e n , dessen Mutter
ebenfalls davon befallen war; We d e l in De u t s c h l a n d ;
St a b e i in Sc h l e s i e n , Hol s t zu H amb u r g , Lu t t k e zu
J e n a ; am häufigsten unter Deutschlands Gegenden traf man
sie in Sa c h s e n , dessen Beherrscher damals und noch lange
Zeit Könige von Pohlen waren, und daher viele Pohlen an
den Hof nach Dresden, und so auch den Weichselzopf nach
S a c h s e n brachten.
In Ob e r -Un g a r n , Scap s , Ar v a u n dLi p t a u sah
sie Dan. F i s c h e r , in der Gegend von P r e s s b u r g Jour -
dan selbst. Nach Sa r t o r i und dem Baron von Schwä r t -
„e r hat man sie auch im t iefen U ngarn, im Bannat , in
S l a v on i e n und Cr o ati en beobachtet. Selbst in Obe r -
S t e y e rma r k sah sie J o u r d a n , früher Fon s a c a zu Pad
u a , P l emp i u s zu Pa v i a , und in der neuern Zeit Al i-
b e r t 2— 3 Mal selbst zu Paris. Was jedoch Rus s land betrifft,
so ist der Weichselzopf, nach den Berichten eines russischen
Militär-Arztes heut zu Tage aus Podol ien, V ° l h y-
n i e n und der Uk r a i n e ganz verbannt, seitdem sich die dortigen
Einwohner der russischen Dampfbäder bedienen.
§. 176-
Ursprüngliches Auftreten der Krankheit.
Obschon aber diese Krankheit von dem politischen
Lande ihre Benennung erhalten, und obgleich manche Schriftsteller
sie als ein besonderes, nur in P o h l e n einheimisches,
endemisches Uebel betrachtet haben; so ist es doch ausser allem
Zweifel gesetzt, dass sie daselbst nicht allein, wie eben bewiesen
wurde, nicht ausschliesslich vorkomme, sondern dass sie
auch nicht von jeher alldort zu Hause war. Denn es schweigen
die frühem Schriftsteller dieses Landes ganz von dieser oder
einer ähnlichen Krankheit sowohl dem Namen als der Sache
„ach, und dem Zeugnisse der bewährtesten Autoren zu Folge
vermulhet man die ersten Spuren davon in den letzten Jahren
des dreyzehnten Jahrhunderts, obgleich St a d l e r den eic
selzopf erst gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts entstehen
lässt. He r c u l es von Saxoni a sprach sogar in einer
eigenen Schrift die Vermuthung aus, dass die Gorgomen- und
Furienköpfe der alten Dichter nicht aus dem Reich der Fabel,
sondern der Wirklichkeit genommen, und dass sie nichts
anders, als factische Beweise von dem schon damals bestandenen
Weichselzopfe seyen: „Caput Gorgonium, caput Funarum
veva Humana capita fu is s e , et fictitiis poetarum occaswnem praebuisse
” .
Wirklich steht nach meiner Einsicht dem Glauben, dass
so wie in unsern Tagen, und beynahe in allen Gegenden er
Erde der Weichselzopf sporadisch Vorkommen kann, er auch
schon in den ältesten Zeiten der Geschichte da und dort doc l
nie endemisch wie in Pohlen, beobachtet wurde, gar nie lts im
wege.