
krankt, oder aber sie bringen nur den Reflex eines im Körper
vorhandenen abnormen Verhältnisses in die Erscheinung, sind
in ihrer veränderten Beschaffenheit gleichsam nur die mehr
oder weniger wichtigen und sichern Zeichen jenes Verhältnisses,
ohne geradezu selbst krank genannt werden zu können. In dieser
letzten Beziehung haben sie dann einen nicht zu übersehenden
Werth rücksichtlich der Erkenntniss derjenigen Krankheiten
, durch deren Wirkung sie gerade so und nicht anders
erscheinen, und diess ist nun der Gegenstand, von welchem
hier zunächst die Rede seyn soll. — Es ist beym ersten Blicke
gewiss sehr auffallend, dass man bey Beurtheilung der Krankheiten
des Menschen die Beschaffenheit der Haare weit weniger
berücksichtiget h a t, als dieses die Thierärzte zu thun pflegen,
wenn es sich um die Bestimmung des körperlichen Wohls des
Viehes handelt. Denn wenn auch beym Menschen in solchen
Verhältnissen die Haare keine so wichtige Rolle spielen, als
bey denThieren; so ist es doch gewiss nur der grossen Unachtsamkeit
zuzuschreiben, dass man die auffallende Beziehung mehr
oder weniger zu übersehen pflegt, in welcher die Haare mit
dem Wohl des ganzen Körpers stehen, und in gleichem Masse
auch fast an allen krankhaften Verhältnissen Antheil nehmen,
welche den Körper von irgend einer wichtigen Seite treffen.
Ich stimme demnach Vog e l ganz bey, wenn er sagt: «Aus
d er q u a l i t a t i v e n und q u a n t i t a t i v e n Besch a f f e n hei
t d e r Ha a r e l äs s t sich n i c h t al lein die g a n z e
Co n s t i t u t i o n , das K r ä f t e m a s s u n d die Ges u n dh e i t
des Kö r p e r s im Al l g eme i n e n b e u r t h e i l e n ; sond
e r n die N a t u r u nd der Grun d e i n z e l n e r Kr a n k h
e i t e n k ö n n e n a u c h n i c h t s el ten dar aus e r k a n n t
werden.« — Mancher meiner Leser wird jedoch mit mireinse-
hen, dass eine grosse Erfahrung und eine mehr als gewöhnliche
Beobachtungsgabe dazu gehöre, um ein solches Urtheil in den
gegebenen einzelnen Fällen nach wissenschaftlichen Regeln zu
fällen.
In folgenden Puncten will ich nun diejenigen Resultate
zusammenstellen, die ich mir aus der Erfahrung abgezogen habe,
und welche sich zunächst auf den diagnostischen Werth
der Haare beziehen:
l) Insofern mit jedem Temp e r ame n t e mehr oder weniger
gewisse Krankheits-Anlagen erfahrungsgemäss verbunden
sind, kann diess auch mit einiger Einschränkung von
den Haaren gelten, indem letztere, wie wir gesehen haben,
vorzüglich in Bezug auf ihre Farbe ein wesentliches
Unterscheidungszeichen der Temperamente selbst sind. —
Ein Gleiches gilt auch von den Haaren, insofern sie nach
Verhältniss der verschiedenen Kö r p e r c o n s t i t u t i o n e n
manigfach, und zwar mehr oder weniger beständig mo-
dificirt werden.
2) Ungleich wichtiger erscheinen uns aber die Iiaare, wenn es
sich um die Bestimmung gewisser Kr a n k h e i t s a n l a gen
selbst handelt, oder wenn wir den sogenannten H a-
b i t u s in pathologischer Hinsicht zu erörtern haben. So
schrieben schon S y d e n h am und T r i l l e r den rothhaa-
rigen Menschen eine Disposition zu An g i n e n und Br u s t e
n t z ü nd u ng e n zu, und Lo r r y * ) zählt diesen letztem
noch die Bl a t te rn bey, die bey ihnen stets am schlimmsten
verliefen. Wir wissen, dass blonde Haare ein Hauptkennzeichen
der p h t h i s i c h e n Architectur sind, und dass wir
bey Personen, die eine vorzügliche Anlage zu Krämpfen
haben, in der Regel wenig und stets sehr zarte, weiche,
feine Haare finden. Eben so zeichnet sich der s cr o ph u -
löse Habitus besonders durch rothe oder blonde, reichlich
wachsende, also lange und dick stehende Haare aus. Bey
Rhachi t i s chen findet man häufig gespaltene Haare. Dagegen
sind dunkelgefärbte, meist schwarze Haare der atra-
b i 1 arisc h e n Constitution fast ausschliesslich eigen, und
umgekehrt ergreift die Gi c h t vorzugsweise, oder wenigstens
in den meisten Fällen Menschen mit lichtem Haaren.
Die zur Ap o p l e x i e geneigten, also mit dem sogenannten
Habitus apoplecticus begabten Menschen, haben
grösstentheils kurze und dickwachsende, oder lange, aber
frühzeitig ausfallende Haare. Was oben von der Anlage
zu Krämpfen gesagt wurde, gilt überhaupt von dem sogenannten
n e r v ö s e n Hab i t u s ; die lymphatische Constitution
trifft man meist mit einem starken Haarwuchs und
lichter Haut und Haarfarbe in Verbindung. Ueberhaupt
lassen schlaffe, trockne und dünne Haare auf schlechte
Säfte schliessen. Auch ist es eine bemerkenswerthe That-
sache, dass man bey a t r o p h i s c h e n Kindern häufig
borstige Haare auf dem Rücken und den Armen findet.
>) A. a. O.