
schon die altern medicinischen Schriftsteller der Haut auf die
Erzeugung der Haare zuschrieben, und wie sie diese überhaupt
zu ersterer in dasselbe Verhältniss setzten, in dem die Pflanze
zu ihrem mütterlichen Boden steht. Wirklich sehen wir auch
dass die Haare um so sparsamer wachsen, je zarter, weicher
und feiner die Haut des Körpers ist. Wenigstens fallen sie,
wenn sie auch reichlich wachsen sollten, jederzeit unter solchen
Umständen viel leichter und häufiger aus, weil sie zu
schwach in der Haut befestiget sind, d. h. weil die Haut nicht
den nöthigen Grad von Festigkeit besitzt. Diese ist aber bekanntlich
um so geringer, je verzärtelter der Körper überhaupt,
und je schwächer die Leibes-Constitution ist, und je
höher dagegen die Organe der Sensibilität und zum Theil
auch der Irritabilität in ihrer Ausbildung stehen.
§. 123.
Verschiedenhei t der Haare nach der
Lebensart.
Ich scheue mich keineswegs, hier gleich Anfangs auf den
4ßsten §. zu verweisen, wo derselbe Gegenstand bey den Thie-
ren besprochen wurde. Denn unter einigen Beschränkungen
kann Alles dort Gesagte auch hier seine Anwendung finden.
Wir sehen ja alle Tage, dass das Landvolk einen viel üppigem
Haarwuchs besitze, als die Städter, ungeachtet erstere
keine, und letztere eine sehr grosse Aufmerksamkeit auf die
Cultur ihrer Haare verwenden. Diess liegt offenbar bloss in
der Lebensart. Freylich dürfen wir dabey die Momente der
Zeugung und die Nahrungsmittel nicht ausser Acht lassen._
Nichts desto weniger glaube ich, dass die Haare in dieser
Hinsicht ganz den Pflanzen zu vergleichen sind, und dass sie,
wie diese, Regen, Luft, Sonnenlicht, Kälte, Trockenheit und
Schatten in der gehörigen Aufeinanderfolge und im zweckmässigen
Masse bedürfen. Hier ist nicht der Ort, dieses weiter
auszuführen, dagegen werde ich in dem therapeutischen
Theil dieses Werkes auf diesen Gegenstand wieder zurückkommen.
Nur so viel sey hier im Allgemeinen gesagt, dass
eine einfache, naturgemässe, durchaus nicht verzärtelnde Lebensart,
so wie die Reproduction überhaupt, so auch das gedeihliche
Wachsthum schöner Haare fördere. Wir finden die—
sen Satz durchaus in der Erfahrung bestätigt, und wer noch
daran zweifelt, der darf sich nur die Mühe nehmen, die verschiedenen
Beschäftigungen der Menschen, und die damit noth-
wendig verbundene eigene Lebensart derselben durchzugehen,
und sie mit dem Stande der Haare dieser Menschen zu vergleichen.
Ich will hier nur auf die Gelehrten hindeuten und
fragen: warum gerade dieser Stand mit dem frühzeitigen Verfall
seiner Haare geplagt ist? — Je mehr die Haare dem Einfluss
der rauhen Witterung, und besonders den Sonnenstrahlen
ausgesetzt sind, eine desto grössere Härte erlangen sie. Wir sehen
diess bey den Negern, die meist mit unbedecktem Haupte
unter ihrem brennenden Himmel gehen j desshalb sind auch
die Haare der Weiber und vorzüglich der Bauernweiber weicher
und biegsamer, als die der Männer, weil erstere stets von
der Haube bedeckt sind. Der Landmann und vorzüglich der
Schiffer haben- ceieris paribus das härteste Haar. — So wie ferner
Schmutz und fette Dinge in einem gewissen Grade dem
Wachsthum der Haare gedeihlich sind, so sehen wir auch
schmutzige Nationen, z. B. Juden, Slaven etc. mit einem starken
Haarwuchs begabt. Auch das Abschneiden und Abschee-
ren, das Kämmen undFrisiren, und überhaupt die Kunst üben
hierauf einen nicht unbedeutenden Einfluss, wie diess zum
Theil schon die ungeheure Menge vonOelen, Pomaten und
Haarwachssalben zur Genüge beweist. Das Weitere hievon
weiter unten, wo auch zugleich von dem Einflüsse der Nahrungsmittel
auf die Beschaffenheit der Haare gehandelt werden
soll.
Es fehlt uns übrigens nicht an auffallenden Thatsachen,
die den genauen Zusammenhang der genannten Verhältnisse
ausser allen Zweifel setzen. —— Schon in der heiligen Schrift
finden wir, dass der König Na b u c h o d o n o s o r , nachdem
er von den Menschen verjagt, nach Art der Thiere leben,
und Kräuter essen musste, endlich Haare, die den Federn der
Adler glichen, und Nägel wie das Geflügel bekam. Eine ähnliche
Geschichte erzählt B e r n h a r d Connor*) von einem
wilden Knaben von 10 Jahren, der im Jahre 1094 in den li-
thauischen Wäldern von den Jägern gefangen wurde , wie er
gerade ganz behaart unter einer Heerde von Bären lief. Mit
Ausnahme der äussern Gestalt hatte er nichts mit einem Men-
) In den Evangel, medici p. 133.