
seyn. In jedem Fall aber wird man gut thun, wenn man die
bereits angegriffenen Haartheile wegscbneidet, und auch innerlich
alles berücksichtigt, was einem guten Haarwuchs förderlich
ist. Uebrigens habe ich diese Krankheit nie beobachtet.
II. Von der regelwidrigen Grösse, Gestalt
und Richtung der Haare.
§• 195.
A. Von der zu starken Dicke und Härte, oder der
eigentlichen Borstenkrankheit f ChaitosisJ und der
abnormen Dünnheit der Haare ( LeptotrichiaJ.
Man nennt ein Menschenhaar borst ig, wenn es viel dicker,
stärker und fester ist, als es gewöhnlich zu seyn pflegt,
und wenn es sich dadurch der Schweinsborste nähert. Solche
Haare fand ich einigemal bey Menschen, die ihrer ohnehin
geschwächten Reproduction aus Mangel an den dazu nöthigen
Mitteln nicht nachzuhelfen im Stande waren, uud die, ursprünglich
schon scrophulös oder rhachitisch, mit häuslichem Kummer
zu kämpfen, und daher meist nur schwer verdauliche
und doch wenig nahrhafte Speisen zu geniessen hatten. Bey
solchen Individuen steigt manchmal der Bildungsprocess antagonistisch
in den Haaren , während er in allen edlern Gebilden
herabsinkt, und so nehmen die in grosser Anzahl wachsenden
Haare auch an Dicke, Stärke und Festigkeit zu, werden
borstenartig. Dabey sind sie aber beynahe immer ver-
hältnissmässig zu trocken, und spalten sich wohl auch, oder
haben wenigstens an ihrer Oberfläche Risse.
Manchmal erscheinen diese borstenartigen Haare schon
als angeborner Bildungsfehler, wo sie, in sehr hohem Grade,
oft ganze Büscheln bilden. Sonst nannte man solche Individuen
Homines setosi.
Da dieses Uebel, wie aus dem Gesagten erhellet, in einem
Fehler der ganzen Reproduction des Körpers tief gegründet
is t; so sieht man leicht ein, dass ihm auch nur durch zweckmässige
Herstellung dieser, also durch ein mehr allgemeines
therapeutisches Verfahren mit Erfolg begegnet werden könne.
Dieses zu bestimmen, liegt aber ausser den Grenzen dieses
Werkes.
Oertlich hat Rh azes*) auf eine nicht wohl begreifliche
Art das IN i t r u m zum Geschmeidigmachen der Haare anempfohlen.
Andere rühmen, und zwar mit mehr Recht ölige,
schleimige und erweichende Mittel, J a h n die Einreibung der
Bierwürze, oder der mit Schnecken gemachten Markpomate.
Ich halte einfache Pomaten aus Rindermark, eine zweckmässige
Diät und sonstige Lebensart, so wie sie oben **) empfohlen
wurden, für das, was sich in solchen Fällen am zweckmässig-
sten erweist.
Nahe verwandt mit der Borstenkrankheit ist die zu grosse
Här te des Haars, von welchen daher auch beynahe in allen
Beziehungen das von jener Gesagte gilt.
Im entgegengesetzten Verhältniss steht jedoch das zu
dü n n e Haar. Das dünne Haar überhaupt ist ein gewöhnliches
Zeichen entweder von jugendlicher Blüthe, oder zarter Organisation
, vorzüglich der Haut, wie beym weiblichen Ge-
schlechte, und besonders bey Blondinen. Krankhafte Dünnheit
der Haare aber findet man bey mangelhafter Ausbildung, einer
Art Atrophia des Haarschaftes, von gesunkenem reproductiven
Leben in den behaarten Hautparthien, wie wir diess bey
Gelehrten und Andern häufig zu beobachten Gelegenheit haben.
Daher kommt es denn auch, dass fast immer die Alopecia
mit diesem Uebel gepaart, wenigstens nur in seltenen Fällen
bey steifen, harten, borstigen Haaren beobachtet wird.
Die früher dicker hervorgewachsenen, häufigen Haare fangen
nämlich allmählig an, dünner und sparsamer zu werden; es
entstehen lichtere Stellen, die dann zuletzt ganz haarlos werden,
und die Glatze erzeugen.
Es lässt sich daher auch in Bezug auf die Ursachen und
die Heilmittel, mit welchen man dem Entstehen der zu dünnen
Haare entgegen arbeiten könnte, gar nichts besonders sagen;
sondern es gilt im Grunde alles das, was oben bey dem Ausfallen
der Haare angeführt wurde.
*) T. 5. c. 12.
**) K 175. k 290.