
Schläfen, und hinter den Ohren; im Genick aber setze man
Zugpflaster oder Senfteige.
W ie die Behandlung in jenen Fällen zu leiten sey, wo
die allgemeinen Zufälle noch lange fortdauern, mit andern
Krankheiten complicirt sind, oder wo die Krankheit Rückfälle
macht, geht theils aus dem schon Gesagten hervor, theils
muss es der Einsicht des Arztes überlassen, und kann im Allgemeinen
nicht näher bestimmt werden.
Uebrigens soll sich gegen trichomatöse Geschwüre die
Cicuia im Aufguss, als Pilaster und selbst als Salbe besonders
wirksam gezeigt haben.
§• Igo-
Ich komme nun auf einen der wichtigsten Gegenstände
der Therapie des Weichselzopfes, nämlich auf d a s Abs
c h n e i d e n desselben. Auch in diesem Puncte sind die Meinungen
der Aerzte getheilt, obgleich eine grosse Mehrzahl
darüber einig ist, dass dieser Vorgang immer die grösste
Vorsicht erfordere, und dass man es nie wagen soll, die entarteten
Haarmassen abzuschneiden, als bis die Haarwurzeln
frey von jener schmierigen, stinkenden und höchst widerwärtigen
Flüssigkeit sind, und bis sich die verklebte Haarmasse,
unter welcher man schon gesunde Haare hervorkommen
sieht, mehrere Zolle von der behaarten Kopfhaut erhoben
hat. Klug wird man ferner handeln, wrenn man das
Ganze nicht auf einmal, sondern in verschiedenen Zeiträumen
abschneidet. Diess gilt selbst von den falschen Weichselzöpfen,
sobald sie mehrere Jahre alt sind. Immer sey
man sodann besorgt, den Kopf wohl zu bedecken, oder eine
leichtere Perücke ein Zeit lang tragen zu lassen. Auch finde
ich es wohlgerathen, bey sehr alten und grossen Weichselzöpfen
vor ihrem Abschneiden ein Fontanel zu setzen.
Uebrigens fallen diejenigen, welche das Abstossen des
Weichselzopfs ganz der Natur überlassen, offenbar in den
entgegengesetzten Fehler, der besonders schädlich ist, wenn
man die davon unzertrennliche Unreinlichkeit, die mögliche
allgemeinere Verbreitung, und selbst die Wiedererzeugung des
Uebels an demselben Kranken in Erwägung zieht. — Obschon
man in P o h l e n eher in diesen letztem Fehler zu verfallen
pflegt; so soll dort unter dem Volke doch noch ein
eigenes Verfahren bestehen, um das Wachsen eines Weichselzopfes
abzukürzen, und sein Abfallen zu befördern. Man
legt ihn nämlich zwischen zwey glatte Steine oder Hämmer,
bringt diese so nahe als möglich auf die Haut, und klopft
ihn nun von beyden Seiten anfangs gelinde, nach und nach
aber immer stärker, bis er endlich allmählig abstirbt *). —
Ri c h t e r schlägt wohl nicht mit Unrecht zu demselben
Zweck die Unterbindung vor.
Ist aber der Weichselzopf zu früh abgeschnitten, oder
ist durch eine Erkältung u. dgl. die Se- undExcretion der tri-
chomatösenMaterie unterdrückt worden, und entstehen darauf
bedenkliche Zufälle an edlern innern Theilen, wie man sie gewöhnlich
bey Metastasen auf das Hirn, die Brust- und Baucheingeweide
zu beobachten pflegt; dann ist auch ganz dasselbe
Verfahren anzuwenden, welches bey einem zurückgetretenen
Hautausschlag gebräuchlich ist; nur mit dem Unterschiede,
dass man dasselbe grösstentheils auf den behaarten Theil des Kopfes,
und zwar auf die oben schon angegebene Weise hinrichtet.
Gewiss wäre in solchen Fällen die E i n imp f u n g des
Weichselzopfes das beste Mittel, welches aber, obgleich von
dem Volke in Pohlen und einigen Aerzten, (worunter La f o n taine,
und in der neuern Zeit auch mein verehrter Lehrer, der
kaiserliche Leibarzt und Regierungsrath von Raim a n n gehört,)
angenommen, dennoch von den meisten andern Schriftstellern
als unwirksam verworfen wird.
A nme r k u n g . Da die Pohlen alle möglichen Uehel von dem Weichselzopfe
herleiten, so darf man sich nicht wundern, dass sie auch
bey der kleinsten Unpässlichkeit, alles aufbieten , erstem zu be kommen.
In der Meinung, er lasse sich einimpfen, gehen sie nun
auf verschiedene Art zu Werke : sie setzen eine Kappe auf, welche
ein mit der Krankheit Behafteter getragen h a t; oder sie bringen
u nter ihre Haare ein Stück eines abgefallenen Weichselzopfs, welches
sie früher in Bier oder in einer andern schleimigen Flüssigkeit
aufweichen \ die Weiber vereinigen ihre Haare mittelst gewichster
Fäden zu kleinen dochtenformigen Bün d e ln , oder leimen sie nahe
an der Wurzel mitAVachs, Harz, Pech u. dgl. zusammen, und
kämmen sie lange nicht. Die J u d e n zeichnen sich aber auch hier
wie ü b e ra ll, charakteristisch aus; d e n n s i e t r i n k e n a l l e
T a g e e i n i g e G l ä ' s e r B r a n n t w e i n , d e r f r ü h e r ü b e r e i n
e m a l t e n AV e i c h s e l z o p f e e i n e s C h r i s t e n g e s t a n d e n
h a t t e ! —
*) B r y n s k y bey H e c k e r : Gedanken über die Natur und Ursachen
des Weichselzopfes, E rfu rt 1810. p. 108.