
nach selbst hervorrufende Momente hat man im Gegensatz zu
S c h l e g e l ’s Ansicht das Tragen warmer Pelzmützen, ferner
das Schlafen auf einem morastigen Boden, überhaupt feuchte,
unreinliche Wohnungen, den übermässigen Genuss vieler stark
gesalzener, oder mit Leinöl bereiteter Speisen, des Branntweins,
endlich selbst niederdrückende Leidenschaften und Ge-
müths-Affecte, namentlich den Schrecken, aufgezählt.
Auch die Frage: ob der Weichselzopf a n s t e c k e n d
sey oder n i c h t , hat zu vielen Streitigkeiten Anlass gegeben,
und noch bis auf den heutigen Tag sind die Meinungen
darüber getheilt. Doch ist die Mehrzahl der Schriftsteller gegen
die Ansteckungsfähigkeit. Insbesondere vertheidigt Schl e gel
diese Ansicht, gestützt auf seine Beobachtungen in Russland,
wo die Bauern mitten unter ihren, mit dem Weichselzopf
behafteten, Pferden wohnen, ohne letztem zu bekommen. Er
gibt zwar zu, dass eine frische, mit der schmierigen Flüssigkeit
noch geschwängerte Plica, auf den Kopf einer gesunden
Person übertragen, allerdings im Stande sey, eine Verklebung
und Verwirrung der Haare hervorzubringen, wie er diess wirklich
an der Scham eines Weibes sah, déren Mann den Weichselzopf
hatte, und wie Bre r a bey Sei le zu Berlin an zwey Soldaten
beobachtete, welche mit einer Pohlinn Umgang pflegten.
Aber Sc h l e g e l hält diess nur für einen falschen Weichselzopf,
der nie von der Whrzel der Haare, sondern von ihrer
Spitze beginnt. So sollen wirklich in,Pohlen eine Menge künstlicher
Weichselzöpfe entstehen.
Das pathologische Museum der medicinisch-chirurgischen
J o s e p h s -Ak a d emi e besitzt die Geschichte einer an Gicht
leidenden Frau, welcher eine andere eine, mit trichomatöser
Materie geschwängerte Brühe über den Kopf schüttete, und
ihr so schon den andern Tag den Weichselzopf verschaffte, mit
dem sie sodann drey Monate behaltet blieb.
Auf andern Wegen kann aber nur jener Kranke wahrhaft
angesteckt werden, in dem sich bereits die trichomatöse Cache-
xie gebildet hat, und daher kommt es auch, dass die Behufs anderer
Heilzwecke unternommene Einimpfung so selten gelingt.
Dass es eine b e s t immt e A n l a ge zum Weichselzopfe
gebe, nehmen die meisten Autoren an, ohne dass sie jedoch im
Stande wären, anzugeben , wor i n sie denn eigentlich bestehe.
Diess ist natürlich auch keine leichte Sache, da die Krankheit
Körper - Constitutionen aller Art, und jedes Aller zu befallen
p fle g t. D o c h s o ll sie das w e ib lic h e G e s c h le c h t m e h r v e r s c h o n e n
a ls das m ä n n lic h e ; a u ch d u n k e lfa rb ig e Haare v o r z u g sw e is e lie b e n .
Uebrigens haben viele Beyspiele, namentlich bey Lafon-
taine und Al i b e r t , es ausser allem Zweifel gesetzt, dass das
Uebel vom Vater auf das Kind übergehen könne, ja dass selbst
mit dem Weichselzopfe behaftete Früchte geboren worden
sind. Von der andern Seite sind wieder solche von trichoma-
tischen Aeltern erzeugte Kinder ganz besonders geneigt, auf
dieselbe Art zu erkranken.
In der neuern Zeit finden sich im Ru st sehen Magazin )
einige bemerkenswerthe Fälle von Weichselzöpfen bey Kindern.
Unter diesen ist der merkwürdigste Fall der, in welchem ein,
während der Entwicklungsperiode der Weichseizopfkrankheit
der Mutter, gebornes Knäbchen mehrere kleine Weichselzöpfe
mit auf die Welt brachte.
S- 188-
P r o g n o s e .
In Bezug auf die V orhe rs age beym Weichselzopfe herrschen
natürlich eben so verschiedene Ansichten, als die oben
angeführten Meinungen über das Wesen, oder die nächste Ursache
dieser Krankheit verschieden waren. Der wichtigste Unterschied
für die Prognose bleibt jedoch gewiss der, ob nämlich
die Kraukheit für rein örtlich, oder für eine sogenannte
allgemeine eigener Art gehalten werde. Denn diejenigen Aerzte,
welche der ersten Ansicht anhängen, nehmen die Sache natürlich
viel leichter, als die andern. In jedem Falle ist das Uebel
eine ungeheure Plage für das, ohnehin unglückliche Pohlen,
indem nach Ch r omy ’s Berechnung auf zehn Quadratmeilen
jährlich 30 — 50 Menschen daran sterben, und so viel auch immer
der Unsauberkeit dieser Nation zugeschrieben werden mag,
so scheint ersteres doch auf diesem »einzigen Wege nicht ausgerottet
werden zu können. Aber so wie die Gegensätze überall
Hand in Hand gehen, so ist auf der andern Seite Pohlen durch
eben diese Plage wieder von andern Krankheiten, namentlich
der Blindheit, Taubheit, Stummheit, Lahmheit und dem Schlagflusse
weit mehr verschont, als andere Länder.
An und für sich ist der wahre Weichselzopf immer ein
sehr hartnäckiges, lange dauerndes, und unter gewissen Um)
18. Bd. Öles Heft. XXIV,