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rfcr Zwiebel, oder wie Einige wollen , des Haarkerns zuschreiben
kann, ist es auch natürlich, dass diese letztem viel empfindlicher
werden, als sie im gesunden Zustande zu seyn
pflegen. Doch gilt diess keineswegs von den verworrenen
Haarmassen selbst, welchen alle Empfindlichkeit auf gleiche
Art fehlt, wie ich diess vom normalen Verhältnisse bey dem
Haarschafte angedeutet habe. Wenn daher von schmerzhaften
schorfigen Massen u. s. w. gesprochen wird, so gilt diess nur
in so fern, als beym Anziehen, oder auch schon beym blossen
Berühren dieser Massen die durch die Krankheit ausserordentlich
empfindlich gewordenen Haarzwiebeln immer etwas beleidiget
werden, und daher Schmerzen erregen *).
§• 180.
Der eigentliche Si tz des Uebels in weiterer Bedeutung
sind die Kopf-, und nach ihnen wohl auch die Barthaare. Doch
ergreift es in seltenen Fällen auch die Scham- und Achselhaare,
und in den seltensten sogar die kurzen Haare des übrigen
Körpers. — Immer gewinnen diese Haare dabey an Umfang
nach allen Richtungen, vorzüglich nach der Länge, welche
oft bis ans Unglaubliche gränzt. So sah man die Haupthaare
bis über den Rücken, bis zum Gesässe, ja selbst bis auf
die Erde herabhängen, manchmal in dünnen Zöpfen, manchmal
so dicht, dass davon die Schultern ganz bedeckt wurden.
_ So spricht Co n o o r von einem so breiten Weichselzopfe,
dass er den ganzen Rücken wie ein Mantel bedeckte. — Bachs
t r om führt einen an, welchen eine russische Frau trug, und
der so gross war, dass er an allen Seiten über den Bettrand
hinabhing, und so eine Art von Bettdecke bildete. —
Ca l i g e r u s sah zu C o p e n h a g e n einen Weichselzopf von
6 Fuss 3 Zoll Länge. — Rz a c z y n s k i erwähnt einer Frau,
deren Weichselzopf in seiner völligen Entfaltung 5 Ellen, und
eines andern, der gar 6 Ellen lang war. — St a r k sah einen
von 7 Ellen Länge, welcher zugleich rings um den Kopf eine
Wulst von 3 Zoll Dicke bildete. — Va t e r erzählt von einer
beynahe 80 Jahr alt gewordenen Pohlinn, welche 50 Jahre ihres
Lebens hindurch einen Weichselzopf von 4- Ellen Länge
*) Wede l s i n d in H a r l e s rheinischen Jahrbüche rn der Med. und
C h iru rg ie , Band II. Stück 1 , und in der raed. Chirurg. Zeitung-
Sept. 1822. p. 420.
und nur 2 Zoll Dicke trug. Diesen sah ich selbst im Jahre
1827 noch im Dresdner Naturalien - Cabinet. Auch S c h l e-
g e 1 führt in seinem Werke zwey Beyspiele von beträchtlich
grossen Weichselzöpfen und in seinen neuen Materialien für
die Staatsarzneywissenschaft und practische Heilkunde *) einen
merkwürdigen Fall eines 10 Schuh langen Weichselzopfes
in Deutschland an. — In dem M e c k e l’schen Cabinet zu
Hal l e sind ebenfalls zwey, einer von einer Frau aus Dessau,
welcher 8 Fuss lang, und ein anderer, welcher bloss 3 Fuss
lang ist, und kaum 10 Linien Durchmesser hat. Auch in dem
anatomischen Cabinet der Universität zu Bonn sah ich im »
Jahre 1828 einen, wenn ich nicht irre, durch Ha r l e s s der
Sammlung verschafften, wohl über 2 Fuss hohen Weichselzopf,
der ganz die Form eines recht hohen Turbans hatte. Von
2_3 Fuss Länge soll man sie in Pohlen nicht selten beobachten.
Nach der Verschiedenheit dieser Dimensionen ist nun auch,
das Gewi c h t d er We i c h s e l z ö p f e verschieden, so dass
man sie von einigen Unzen bis auf 4- — 6 Pfund und darüber
beschrieben findet.
Aehnliche Beobachtungen hat man auch über den Bar t
gemacht. — So erzählt B a c hs t r o m die Geschichte eines Juden,
dessen so entarteter Bart bis auf die Erde hing, und Dr.
Cor o n a sah , nach A 1 i b e r t’s Angabe, zu R o m einen pohl-
nischen Eremiten, dessen Wichtelbart von seinem Bett bis auf
die Erde bing.
An den Ac h s e l h a a r e n beobachteten den Weichselzopf
S c h 1 e g e l, Al i b e r t und Andere.
J o h ann P er t ars o n Hai n kannte eine Frau, deren
S c h amh a a r e vom Weichselzopf ergriflen waren, und in
einer Länge von l '/2 Ellen herabhingen, dergestalt, dass sie
genöthigt war, dieselben um ihre Lenden zu befestigen. Einen
solchen Weichselzopf der Schamhaare soll auch Prof. K a l t s
c hmi d t in Jena in seinem Cabinet auf bewahren. Aehnliche
Fälle erzählen P a u l i n i , Ga se und viele Andere.
Im Ganzen ist es jedoch eine merkwürdige Erscheinung,
dass die Schamhaare bey Männern gewöhnlich verschont bleiben
, in jedem Fall aber nie eine so grosse Länge erreichen,
als jene der Weiber. Doch spricht Rzaczi nski von einem
Manne, dessen Schamhaare von einem feinen und engen Wich-
) II. Bd. 1823. Nr. XXII.