
guten Alten dachten sich die Haare wie Rauchfänge, durch
welche die Lösen Dünste des Kopfes davongingen. »C«m enim
ex humoribus halitus sursum ad caput efferalu.ru sagt Gale-
nus *), »crassioribus ejus excrementis potissimum ad pilorum ali-
mentum natura abulilur; in viris autem, quanto hi mulieribus
sunt calidiores, tanto haec quoque excremenla sunt plura.K _
Diese Meinung des grossen Mannes blieb so lange die herrschende,
als überhaupt seine Lehren allgemein galten, und
die Physiologie weder von der Anatomie überhaupt, noch weniger
von der vergleichenden unterstützt wurde. Ueberall, wo
man keinen speciellen Nutzen der Haare anzugeben wusste,
nahm man seine Zuflucht zu der Behauptung, dass die Natur
durch die Bildung der Haare das Unedlere des Bluts absetze,
und theils zur eigentlichen Bildung der Haare selbst, theils
aber zur förmlichen Ausscheidung aus dem Organismus durch
die Haare verwende. Ma lp ighi glaubte selbst, dass, weil die
Th,ere nicht allein eine flüchtige, dunstförmige, sondern auch
wässerige und salzige Substanzen ausführen müssen, die Haare
wahrscheinlich zur Excretion des Schweisses beytragen, so
zwar, dass durch sie ein schmieriger Stoff aus dem Körper weg-
geschafft werde. Er fand an einem menschlichen Gesichte vier
kleine Drüschen, die alle in einen gemeinschaftlichen Gang
sich einmündeten, aus welchem sodann ein zartes, kurzes Haar
hervorstieg; und glaubte daher, dass auf diesem Wege jener
schmierige Saft aus den Drüsen zum Haar aufsteige, an letz-
term auströpfele, und indem er die nahe gelegenen Theile der
Haut befeuchte, selbe auch vor mechanischen und chemischen
Beleidigungen schütze. Er wurde hierin noch mehr durch die
Beobachtung bestärkt, dass aus den Höhlen an der Oberfläche
der Haut, aus welchen die Haare hervorkommen, Schweisströpf-
chen heraussickerten.
Im ±7ten und 18ten Jahrhunderte sprechen die meisten
Schriftsteller für die Ausdünstung der Haare. Man führte sogar
die Löcher an, durch welche das Mark des Haars ausschwitzen
soll; z. B. Pozzi an der Schweinsborste; ja Puteus**)
wollte sogar die Haare ihrer ganzen Länge nach siebartig durchlöchert,
und zwar die grossem Löcher an der Zwiebel, die kleinern
) De usu partium. De pilis ac Mosis et variorum philosophorum de
generalione sententiae, Cap. ltf. p. 378 — 379.
**) Comment. Bonon. T. II. P, I. C. 1. p. 148.
am Stamm, und die kleinsten an der Haarspitze gefunden ha-
'ben. Buf fon*) vermuthete, dass haarige Thiere nicht so
fruchtbar seyen, weil sie durch die Haare stärker ausdünsten.
Doch entgegnet ihm Ha l l e r **), dass die meistenInsecten viele
Haare hätten, und dennoch sehr fruchtbar wären. Nichts desto
weniger ist H a l l e r selbst dafür, dass das Mark der Haare,
da es beständig neu erzeugt werde, einen Abgang erleiden
müsse — also ausschwitze, wenn das Haar einen neuen Zuwachs
verlangt. Nach Lud w i g ***) befördern die Haare die
Ausdämpfung des Oels, indem sie das Loch frey erhalten, und
das Fadengewebe um die Haarzwiebel anschliessen helfen. —
Hier. Kni p h of ****) setzt den Hauptnutzen der Haare in ihre
reinigende Kraft für den Körper, indem sie nach seiner Ansicht
den schmierig fetten Auswurfsstoff aus dem Körper entfernen,
ganz nach Art der Pflanzenblätter. Er sucht diese Behauptung
durch folgende Erscheinungen zu beweisen: das
nackte Haupt gibt, wenn es von der Sonne beleuchtet ist, auf
einer weissen Wand einen Schatten; im Winter steigen aus dem
Kopfe arbeitsamer Menschen, und zwar von dem Theile der
Haare, der nicht unmittelbar den Kopf berührt, eine Menge
Dünste auf; die Haare der Kranken zur Zeit einer Hautkrise
sind nass; die Haare fallen aus, wenn sie durch die scharfen
Auswurfsstoffe in hitzigen und bösartigen Krankheiten angeätzt
werden. Wenn die Transpiration vermehrt ist, erscheinen
manchmal an haarreichen Orten frühef Schweisstropfen, als an
andern Orten des Körpers. (Dieser Haarschweiss ist seinem Gehalte
nach verschieden: an den Haupthaaren wässerig und
sauer). Im Nacken, am Kinne, unter den Achseln setzt sich
sowohl an das Hemd, als auch an die Kleider eine schmierige,
fette Masse ab; im Kamme sieht man die Kleye, wodurch erdige
Theile aus den Haaren ausgeschieden werden; je behaarter
ein Mensch ist, desto mehr pflegt er zu schwitzen. Endlich
will K n i p h o f die reinigende Kraft der Haare auch dadurch
beweisen, dass er sagte: „die Haare seyen da um so häufiger,
wo die Nerven sich in die Muskeln verlieren, indem die Haare
*) HIstoire nat. Tom. 2. p. 310.
**) Element, physiol. Tom. V.
* * * ) Hum. cut. inung. p. 28.
* * * ¥) De pilorum usu. Erfordiae 175H.