
Haare gerade in die Höhe richten.« Diess sind allerdings
-Thatsachen , welche Niemand läugnen kann j allein sie
beweisen nichts, als dass einerseits die färbende Substanz
aus der Haarzwiebel nicht mehr in den Schaft aufsteige,
und dass dieser daher aus Mangel an jener farblos also
bleich wird; andrerseits dass durch vorwaltende Contrac-
tion in dem Haarbalge und der diesen umgebenden Haut-
parthie der Schaft aufgerichtet wird, welches übrigens
wegen Abgang der nöthigen Muskeln lange nicht so deutlich
in die Erscheinung tritt, als wir diess bey manchen
Thieren beobachten können. Alles diess spricht demnach
nur für ausgezeichnete Vitalität des Haarbalges, und in
dem Masse weit weniger für die des Haarschaftes.
2) „Der Weichselzopf hat seinen Sitz in der innern Substanz
der Haare, und man behauptet sogar, dass diese Substanz
in jener Krankheit bisweilen eine gleichsam fleischige Natur
annehme.« Der Weichselzopf in dieser Form ist wie
bekannt, nichts weniger als eine örtliche Krankheit der
Haare, sondern er ist der Ausdruck eines Allgemeinleidens,
das sich nur hauptsächlich in dem Haarsystem offenbart.
Er ist ursprünglich nur eine Krankheit des Haarbalges
und der diesen umgebenden Theile, und erst nachdem
jener nicht mehr imStande ist, sein normales Product
auszuscheiden, entsteht auch jene scheussliche Entartung
der Substanz des Haarschaftes selbst. —
3) „Man kennt die Gefahr vom Abschneiden der Haare in
Folge mehrerer hitziger Krankheiten.« Ich bin ganz mit
Bi c h a t einverstanden, wenn er diese Gefahr nicht von
der Berührung der Luft herleitet, gegen welche die Haare
den Kopf schützen, indem diese Zufälle auch trotz der
sorgfältigsten Bedeckung des Kopfes erfolgen; eben so bin
ich mit ihm gleicher Meinung, dass das Wachsthum der
abgeschnittenen Haare nach diesen Organen eine vitale
1 hätigkeit hinruft, welche die innern Eingeweide sehr
bald durch Sympathie erfahren, und dass die Kopfschmerzen
und Augenübel von einer Art sehr thätiger Sympathie
herrühren, welche die Haare auf diese Eingeweide ausüben.
Nur glaube ich, dass diese Sympathie, als Ausdruck
der hier herrschenden Vitalität weder in der äussern,
noch auch in der innern oder Marksubstanz des Haars,
sondern lediglich in dem Balge und der von ihm eingeschlossenen
Haarzwiebel gegründet sey, in welchen Organen
wir die hiezu nöthigen materiellen und dynamischen
Bedingnisse, gleichwie in andern sympathisirenden Binge-
weiden vorfinden. —
4) „Die Haare stehen gleichfalls unter dem Einflüsse anderer
Organe. Man sieht diess oft in Folge hitziger Krankheiten,
wo die sympathisch-afficirten Wurzeln die Flüssigkeiten,
die sie ernähren sollen, zurückstossen, und das Ausfallen
den Tod der Haare herbeyführt.“ Also die Wurzeln, aber
nicht; der Haarschaft sind sympathisch afficirt!
5) „Viele Thiere verlieren in einer bestimmten Jahrszeit
ihre haarige Hülle, die sich wieder erzeugt. Die Epoche
ihrer Wiedererzeugung ist nun oft die Epoche vieler
Krankheiten, und einer Schwäche, die in andern Zeiten
nicht statt findet.« Diess beweist abermals den wichtigen
Zusammenhang, in welchen die Erzeugung der Haare mit
den Modificationen des Lebensprocesses in andern innern
Organen steht, und lässt sich allerdings dadurch erklären,
dass man annimmt, das Ernährungsgeschäft, welches einigen
Aufwand der Lebenskräfte nach Aussen ruft, bri nge
antagonistisch eine Schwäche oder Verminderung derselben
an einem andern Orte hervor. Da jedoch, wie wir gesehen
haben, jenes Ernährungsgeschäft einzig und allein
in dem Haarbalge vor sich geht, so kann das Gesagte auch
nur für die Vitalität dieses Organes, nicht aber für jene
der innern Substanz sprechen.
6) „Kälte und Wärme äussern gleichfalls oft ihren Einfluss
auf die innere Substanz der Haare.« Für diese Angabe
habe ich selbst oben, als von dem Einflüsse des Klima
und der Jahrszeiten auf die Thier - und Menschenhaare
die Rede war, die überzeugendsten Belege angeführt. Allein
ich glaube nicht, dass die Kälte und Wärme unmittelbar
auf die innere Substanz der Haare nach der angegebenen
Art wirke, denn sonst müssten die Veränderungen
viel schneller erfolgen; da wir sie hingegen nicht gleich
auf die erste starke Kälte, oder in der ersten Zeit, als
das Thier in das nördliche Klima versetzt wurde, sondern
erst dann erscheinen sehen, wenn die genannten Einflüsse
eine geraume Zeit lang auf die Haare gewirkt haben. Ich
bin daher geneigt, das Weisswerden der Haare im Winter
dem herabgesetzten Lebensprocess der ganzen Haut, und