
Von dem 256 Ausfallen der Haare.
merkwürdig ist es dabey, dass nur die Fingernägel afficirt
sind, während die der Zehen ihre natürliche Farbe und Con-
sistenz behalten haben. — Der Kopf dünstet so stark aus, dass
er immer feucht ist; am ganzen übrigen Körper bemerkt man
nicht die geringste Ausdünstung. In den letzten drey Monaten
hat der Patient den Tag über eine Perücke, und des Nachts
eine warme Mütze getragen; jedoch mochte er die Perücke
abgenommen haben oder nicht, so blieb sich die Ausdünstung
auf der ganzen Oberfläche des Kopfes stets vollkommen gleich__
Vor dem November 1825 war er gewohnt, reichlich geistige
Getränke zu sich zu nehmen, obgleich nicht in solcher Menge,
dass man ihn einen Säufer oder Trunkenbold nennen konnte.
Um diese Zeit verlor er indessen den Geschmack an geistigem
Getränke, und enthielt sich dessen mit einem Male gänzlich.
Er fuhr jedoch fort, starkes Bier zu trinken, und vielleicht
in noch grösserer Menge als früher. Hierin bestand die ganze
Abweichung von seiner früher stets beobachteten Lebensweise.
Als ihm indessen im längstvergangenen Monat Junius Jemand
gesagt hatte, dass seine Enthaltsamkeit gerade die Ursache
sey, wesshalb er die Haare verloren habe; so genoss er wieder
geistige Getränke eben so reichlich, wie vorher, jedoch nicht
unmässig.
c) Na c h d em Al t e r des B e f a l l e n e n . Ä l o p e c i a s e n i l
i s e t j u v e n u m .
d) Na c h i h r e r Ve r b r e i t u n g u n t e r den Menschen.
So spricht Seb. E g b e r t * ) von einem L a p su s epidemicus,
der jedoch jedenfalls zu den grössten Seltenheiten gehört,
wenn er je wirklich beobachtet wurde; und Bl ume n bach**)
sagt, dass die Kahlköpfe sogar ganzen Nationen
eigen seyen. Diese Krankheit soll in der Berberey sogar
e n d emi s c h seyn.
Im höhern Grade ist das Uebel von einem mehr
oder weniger deutlichen Hautleiden begleitet. Es löst sich
nämlich die Oberhaut an der Stelle, wo die Haare ausfal-
len, in breiten, kleyenartigen Schuppen ab , die sich sehr
schnell, wenn sie mit dem Kamm weggeschafft werden, wieder
erneuern, und unter sich die Haut ro th , aber unschmerzhaft
lassen. In dieser Form heisst die Krankheit bey den Franzosen
*) S w e d i a u e r p. 765 in der Note.
**) Physiolog. p. 151.
Von der Aetiologie dieser Krankheit. 257
P e la d e , und breitet sich als solche weit über den behaarten
Theil des Kopfes aus.
§. 153-
A e t i o l o g i e d i e s e r Kr a n kh e i t .
Der wichtigsten Ursachen, welche diese so unangenehme
Krankheit nach sich ziehen, habe ich bereits im vorigen Paragraph
erwähnt, indem ich sie nach der Weise andrer Autoren
zu Eintheilungsgründen der Krankheit selbst erhob. Hie-
her gehört also die Lu s t s e u c h e , der Gr i nd , und der
Aussatz. Doch würde man sehr irren, wenn man glaubte,
diess seyen die einzigen Krankheiten, auf welche die Haare auszufällen
pflegen; denn ausser ihnen hat man diess auch, und
namentlich bey der b ö sa r t i g e n F l e c h t e , dem We i c h selzopf,
im letzten Stadium der Lu n g e n s c hwi n d s u c h t ;
(daher: „Quibus ta b e la b o ran tibu s c a p illi d e c a p ile d e ß u u n t, h i
a lc i f lu x a sape rueniente , m o riun tu r *) ,“ und: „C a p illo rum d e jlu -
v ium cum spu to g ra v ite r o len te , in. ta b e v e x a tis le lh a le * * ) ) nach
l a n gwi e r i g em Ko p fwe h e , in b ö s a r t i g e n Fi e b e r n ,
nach h e f t i g e n Di a r r h o e e n , nach einer s t a r k e n P u r g
an z (hier fielen Kopf- und Barthaare aus, etc. ***)), beym
R o t h l a u f des Ko p f e s , nach dem Genuss von ä t z e n d e n
und n a r k o t i s c h e n G i f t e n , nach dem Mi s s b r a u c h
des Me r c u r s , in der Bl e y k o l i k ; ferner bey solchen
Menschen, welche den Dämpfen des Arseniks und Quecksilbers
ausgesetzt sind u. s. w. beobachtet. Selbst das W o-
c h e n b e t t soll nach F r a n k öfters Veranlassung zum zeitweiligen
Verluste der Haare geben. Nach Vo g e l soll das Ausfallen
der Haare im Ki nd b e t t starke L o ch ia anzeigen; und
das Kämmen am dritten oder vierten Tage nach der Geburt
Ko p fwe h , Hi r n e n t z ü n d u n g und Mi l c hv e r s e t z u ng
erzeugen.'— Weiter zählt man unter die erregenden Ursachen:
a n h a l t e n d e S t u d i e n , Au s s c hwe i f u n g i n B a c c h o
et V e u e r e . Grüne r ****) führt eine ganze Gallerie von
*) H ip po e r a t . . Aphor. V. 12, Coac. 436.
■**) H i p p o c, Aphor. V. 11.
Leme r - j im Dietion. des Scienc. med. T. 43. p. 504.
****) Lus. med. orat. expr. u. s, w. übersetzt von S c h l e g e l in den
neuen Materialien für die Staatsarzneykunde I I. 238.
Eble s Lehre von d. Haaren. II, Bd. 12