
mehr Analogie mit einem Haar, als mit einer Feder. Ich
muss den Haaren aus wahrlich leicht einzusehenden Gründen
das spezielle Princip der Existenz ganz und gar absprechen
, sobald damit etwas Erhebliches gesagt werden soll;
sie sind und bleiben Theile der Haut, und können ohne sie
gar nicht gedacht werden, ausser in krankhaften Verhältnissen.
— Aber gerade dadurch, und nicht wie F. Cuv i e r
folgert, lassen sie sich dem System der Sinne, und namentlich
dem Tastsinne so leicht einreihen, ja, wie ich gezeigt
habe, in mancher Hinsicht als Theile desselben betrachten •
und insofern bin ich mit Cu v i e r einverstanden, dass sie
einen grossem Einfluss auf die Classificalionsmethoden üben
könnten. Ob dieser übrigens nicht um ein sehr Bedeutendes
dadurch gewinnen würde, wenn man die Haare des ganzen
Thierreichs nach ihrer innern Textur classificirte, vermuthe
ich wohl nicht mit Unrecht, da wir gesehen haben, dass
sich manche Geschlechter schon durch den Bau ihrer Haare
so leicht in eine Ordnung bringen liessen, z. B. Mäuse, Maulwürfe,
Fledermäuse, Rehe etc. u. s. w.
l) Ganz originell ist die Idee, welche Car us bey Auseinandersetzung
des menschlichen Hautskeletts aufstellt, und
die er überhaupt auf die Haare des ganzen Thierreichs
ausdehnt. Dieser zu Folge sind sie z. B. bey den Horn-'
thieren ihrer Bedeutung nach nichts als ausstrahlende Gebilde
des Hautskeletts, einfach kegliche, späterhin mehrfach
getheilte, mit der auswärts gekehrten Spitze zuerst gebildete,
an der dem Ur-Wirbel zugekehrten Basis anfänglich sich fortbildende
hohle, allmählig aber sich ausfüllende Te r t i a lw i r b
e l!! welche Bedeutung nur derjenige verstehen kann, der
sich mit dem Wesen der von Caru s aufgestellten dreyerley
Skelette — Nerven-, Eingeweid- und Hautskelett — sehr vertraut
gemacht hat. —
m) S c a l i g e r ist meines Wissens der einzige Gelehrte, der
den Haaren allen Nutzen abspricht, und sie für ganz überflüssig
hält **).
n) DieHaare sind auch ein Gegenstand des Handels geworden.
Ich übergehe den manigfachen Nutzen, welchen unsre Tape-
*) C. G u s t a v C a r u s ; Yon den U rth e ilen des Knochen- uud Schalengerüstes,
Mit XIII Tafeln. Leipzig 1828 p. 426.
**) In lib. I, Aristotelis de plantis p. 185.
zierer, Hutmacher, Sattler, Pelzhändler, Galanteriehändler,
Knopf- und Schnürmacher, Sieb - und Lautenmacher, Bürsten,
Pinsel- und Drahtfabrikanten aus ihnen ziehen, und
beschränke mich hier auf die Menschenhaare, welche vorzüglich
den Perückenmacher und Haarkräusler, und wohl
auch den Galanteriehändler beschäftigen. — Die besten
Haare für diesen Handel kommen aus Brabant, Flandern,
Holland, Deutschland, und den nördlichen Ländern. Das
Haar der brabant’schen Nonnen war ehedem am meisten geschätzt.
In Frankreich liefert die Normandie das schönste
Haar. Farbe, Länge, Stärke und Krause sind die Eigenschaften
, welche in solchen Fällen hauptsächlich berücksichtiget
werden. _ Das theuerste im Handel ist das aschgraue und
blonde, besonders wenn es an den Spitzen ins Gelbe fällt.
Dann folgt das ganz graue Haar, weil es allzeit gut ist; nach
diesem das pechschwarze, weil diess im Norden eine Seltenheit
ist. Die gewöhnlichsten Haare: das licht - und dunkelbraune,
halbgraue und fahle, sind die wohlfeilsten. —
Was die Länge betrifft, so ist zwar darüber kein besonders
Mass, je länger, desto besser ist es; doch verlangt man gewöhnlich
24_25 Zoll. Rücksichtlich der Stärke darf es weder
zu grob, noch zu schwach seyn, weil es im ersten Falle
die Krause nicht wohl annimmt. Doch wird das starke dem
schwachen immer vorgezogen. — Das von Natur glatte, und
erst durch die Kunst gekräuselte Haar ist bey weitem nicht
so theuer, als das von Natur krause, besonders wenn es zugleich
schön von Farbe ist. Unter den durch Alter weissgewordenen
werden die achatweissen für die schönsten gehalten;
man findet sie meist bey Personen, die früher sehr schwarz
waren. Das kastanienbraune wird im Alter perlenweiss, das
blonde und rothe milchweiss *).
A n m e r k u n g . 1. In der chinesischen Provinz C h e - K y a n g bedient
man sich hey dem Reisbau ausser den Schweinsborsten auch der
Menschenhaare zum Dünger. Die Barbierer verkaufen das Pfund
um ü Pfennig an Leute , die es in Säcken wegschaffen. Oft sieht
man ganze Barken damit beladen.
*) P. J. M a r b e r g e r ’s Beschreibung des H a a r- und Federhandels.
Leipzig 1717. 8. und K r ü n i i z Encyclopädic 20. TUl.