
che sie erhalten hätten , wenn sie nie beschnitten worden wären.
An gänzlich abrasirten Köpfen wachsen die Haare nach
meinen Beobachtungen in einem Monat etwa bis zur Länge
von drey Limen. Nach Ha l l e r wachsen die Haare am Kopfe
in sieben Tagen beynahe eine Linie lang; nach K r a ft überhaupt
in 81 Tagen wieder, nach W i th o f im Jahre vier Zoll •
nach L a n g g u t h wachsen die Augenbraunen nicht einmal in
zwey Jahren. Wi t h o f sah zwey Ellen lange Kopfhaare, bey
den Fakirs sollen sie bis auf eine Länge von vier Ellen wachsen
>. Auch findet ein Unterschied des Wachsthums unter den
Haaren verschiedener Gegenden Statt. Unter den ursprünglichen
oder angebornen Haaren wachsen die Kopfhaare fortwäh-
rend, die Cilien und Augbraunenhaare erreichen bald ihre
grösste Länge, und wachsen dann nicht weiter. So ist es auch
mit den später erzeugten, wo z. B. der Bart im Verhältniss zu
den Achsel-, Scham- und Afterhaaren bedeutend stärker wächst.
Ueber die Bedingungen und diejenigen Einflüsse, welche
das Wachsthum begünstigen, herrschen vorzüglich in
der ersten Beziehung ebenfalls und zwar so verschiedene Meinungen,
als verschieden die Ansichten über den Bildungspro-
cess der Haare selbst waren. So sagt Hi p p o c r a t e s : »PZa-
rwiosnasci, ubi moderalum humorem, quo nutriantur, habuerini ;«
Galen**) : »Pi'Zf, qui ex moderato, humidis et mollibus partibus
emergunt, plurimi sunt incrementi sicuti in capite et barba; qui
uero exduris etque aridis, exiles sunt et nullius fere incrementi « Im
Allgemeinen wird das Wachsen begünstigt durchWärme, Stärke
des Körpers, und Anhäufung von Kohlenstoff. Kaltes Klima,
geringe Ausdünstung, leichte Bedeckung und freye Luft machen
einen starken Haarwuchs. —Sehr interessant ist die Ansicht
von Wal ther***) , welcher sagt: dass zum Wachsen der
Haare die Einwirkung der Luft, und überhaupt atmosphärische
Einflüsse auf die Haarzwiebeln, und die Berührung der letztem
durch die erstere erforderlich sey; so wie auch die Pflanzen nur
unter dem Einfluss der Luft keimen und wachsen. Auf diesen
Schluss wurde v. Wa l t h e r bey der angestellten Operation
der Tarsoraphie geführt, wo die Augenliederhaare, die sich
*) F ry ’s travels p. 102.
**) II. De usu part. 1 4 .
) D e s s e n und G r a e f e ’s Journal für Chirurg, und Augenheilkunde,
9. Bd. 1. Stück p. 92-
mit ihren Zwiebeln im Hintergrund der geschlossenen Canäle
(durch welche die Haare hervorkommen) befanden, nicht nachwuchsen.
Doch sehe ich nicht ein wie Herr v. W a 11 h e r dann
das pathologische Vorkommen in Balggeschwülsten und andern
verschlossenen Höhlen im Innern des Körpers erklären könnte.
Dass aber das öftere, jedoch nicht zu oftmalige Abschneiden der
Kopf- und Barthaare ihr Wachsthum und vorzüglich ihre Dicke
ungemein befördert, ist ganz richtig, und durch die tägliche
Erfahrung bestätigt, so wie auch die Lebensart, und vorzüglich
die Nahrungsmittel hierauf einen nicht unbedeutenden Einfluss
haben, worüber ich in dem therapeutischen Theil ausführlicher
sprechen werde. — Wie gross endlich der Verlust
der Haare durch zeitweises Abschneiden, und wie bedeutend
also ihr Nachwuchs sey, beweist die Angabe, der zufolge ein
Mann, von dessen Kinn nach und nach jährlich 52 Linien
lange Barthaare abgenommen werden, vom 18ten bis 60sten Jahr
einen Bart von 15 Fuss und vier Zoll Länge verliert, welches
Mass übrigens das sich selbst überlassene Barthaar nie erreichen
würde. Auf die Kopfhaare angewendet, bekäme ein solcher
Mann ein 14 Schuh langes Haar, wenn auf drey Monate ein
Wachsthum von einem Zoll angenommen wird.
Es ist ein richtiger Satz: dass je länger ein Theil vom
Körper getrennt, sein Leben zu erhalten fähig ist, er desto
leichter mit einer verletzten, lebhaft erregten Stelle verwächst.
Da nun der Vordersatz auch von den Haaren gilt,
so ist es interessant, durch Versuche auch den Nachsatz bestätigt
zu sehen. Dz o n d i *) und T i e f f e n b a c h **) ha-*
ben nämlich durch Versuche das Wiederanwachsen ausgerissener
Haare, und Wiesemann***) das von überpflanzten Federn
nachgewiesen. Ersterer verpflanzte in ein aus der Wangenhaut
von ihm künstlich gebildetes unteres Augenlied, Augenliedhaare.
Ti e f f e n b a c h sah, dass von sechs Augenbraunhaaren,
die er einem Freunde ausgezogen und in Wunden eingesetzt
hatte, welche er mittelst einer Staarnadel in die Haut
*) Beyträge zur Vervollkommnung der Heilkunde. ThI. 1. Halle 1816,
un d kurze Geschichte des klinischen In stitu ts zu Halle p. 136.
**) J oh. F r i e d . T i e f f e n b a c h : Nonnulla de regeneratione et trans-
plantatione. Dissertât, inaug. Herbipoli 1822.
***) Siehe Wi e s e m a n n H e n r . F r a n c , de Coalitu partium a reliquo
corpore prorsus disjunctarum. Lips. 1824 p. 33. Eine von der
med. Facullät zu Bonn gekrönte Preisschrift.