
Da bloss der Mann Haare am Af t e r hat, so möchte ich
diese Haare auch nur als ein weiteres Zeichen des männlichen
Ausdrucks ansehen. Sie stehen übrigens mit den Barthaaren in
einiger Beziehung, denn so wie diese die obere Mündung, den
Eingang des vegetativen Schlauches, umgeben, so sind jene um
die untere Mündung, den Ausgang desselben, gelagert. Auch
erscheinen beyde zu gleicher Zeit, nämlich zur Zeit der Geschlechtsreife,
und beyde fehlen dem Weibe. Indessen mögen
sie wohl die mehr mechanischen Zwecke mit den andern Haaren
gemein haben.
Für die nun noch übrigen f e i n e nKö r p e r h a a r e weiss
ich keinen specieilen Nutzen anzugehen, der von dem schon oft
angeführten, mehr oder weniger allen Haaren des Körpers zukommenden
verschieden wäre.
A nm e r k u n g . Nur G a l e n u s h a lt die Schamhaare auch für eine
Z i e r d e , indem er sagt: »Pili circa pudenda aperimentum et
« r n a m e n t u m ejus loci partibus p ra e b e n t, non a lite r , quam
nates quidem ano, praeputium autem pudendo.«
D r i t t e s H a u p t s t ü c k .
Ueber die physiognomische Bedeutung
der Haare.
§. 141-
Gleichwie die Haare einen wesentlichen Einfluss auf die
ganze Gestaltung des Menschen haben, (so zwar, dass man sich
weder einen gesunden, noch schönen Körper ohne die diesen
Eigenschaften entsprechende Haare denken kann,) so wird man
nach dem Vorausgegangenen auch leicht einsehen, dass sie mit
der ganzen Natur des Menschen aufs innigste Zusammenhängen,
und dass es demnach keine abentheuerliche Idee war, wenn man
umgekehrt aus den Haaren auf die Natur des Körpers, und
selbst auf den Geistescharakter zu schliessen wagte. Diess gab
nicht allein La v a t e r , der Schöpfer der wissenschaftlichen
Physiognomie zu, sondern es finden sich von der Gültigkeit
jenes Schlusses auch vielfache Proben im Alterthume, wie aus
dem Nachfolgenden zur Genüge erhellen wird. Eine Menge
allegorischer und Sprich-Wörter, die von den Haaren hergenommen
sind, beweisen ebenfalls den wichtigen Bezug, den dieselben
auf die gewöhnlichen Handlungen der Menschen haben.
So z. B. die Ha a r e s t e h e n zu Berge; Haar l a s s en
müs sen; sich g r a u e Ha a r e w a c h s e n lassen; es sol l
di r kein H a a r g e k r ümmt werd e n ; e i n a nde r in den
Ha a r e n l iegen; etwas an den Ha a r e n h e r b ey ziehen;
Haa r e a u f d en Zähne n h a b e n ; auf ein Haar
t r e f f e n ; d er Soh n h a t kei n H a a r von s e i n em Vat
e r u. s. w.
Van He imo nt, der den Kopf den Coelum microcosmi-
cum nannte, hielt die Haare für die Sterne. — Samuel Got t l
i e b Vogel *) gibt zu , dass die Haare nebst den Geburts-
theilen und der Menstruation auch noch mit dem Hirne und
den Seelenkräften in besonderer Beziehung stehen. Daher
seyen schwarze, krause, straffe Haare dem melancholischen
Temperamente eigen, und rothe Haare bezeichneten entweder
einen sehr schlechten oder einen sehr guten Charakter, und
Schlauheit; daher sollen in Gefängnissen die rothköpfigen
Weiber so zahlreich, und ein weissköpfiger Mann so selten
seyn. Krause Haare sind nach ihm oft mit Genie und Wollust
verbunden. — Bey Ar n a l du s Vi l l a n o v a **) heisst es:
„Muliitudo capillorum significat caliditatem et humiditatem, par-
citas testatur frigiditatis excessum, aut, cum calore temperato, superabundantem
humiditatem. — Nigredo dominium ostendil cali-
ditatis, albedo vero frigiditatis.“ Und in seinem Specul. introduct.
medicinal. ***) wird die dritte Klasse Signorum complexionis von
den Haaren genommen.
Av i c e nn a ****) berührt diesen Gegenstand auf eine
Art, deren Zweck ich nicht recht einsehe. Er sagt: „Pili in
puero significant, quod ipsius complexio, cum crescet, ad melan-
choliam convertetur, et in sene significant, quod in praesenti est
melancholicus.“ — Den physiognomischen Werth der Augenbraunen
erkannte schon Hi p p o c r a t e s an, indem er in sie
*) A. a. O.
Opera omnia 1585. De ornatu mulierum.
***) P. 224.
****) Liber Canonis lib. I. eap, 3. p. 44.