
Gesundheit. So unhezweifelbar richtig dieser Satz im
Allgemeinen ist, so finden doch zahlreiche Ausnahmen
statt; indem es manche Menschen gibt, die bey übrigens
vollkommen scheinender Gesundheit dennoch einen sehr
dürftigen Haarwuchs u. s. w. haben. Nach meiner Meinung
schaden jedoch derley Ausnahmen der aufgestellten Regel
nicht, weil ich überzeugt bin, dass der aufmerksame Naturforscher
und Arzt bey solchen Mängeln des Haarwuchses
stets irgend einen Fehler, und sey es auch ein bloss
ererbter, aufzufinden, und daher die Ursache anzugeben
im Stande seyn wird.
2) Die Menge der Haare steht mit der körperlichen
Kraft häufig, ja man kann sagen meistens in geradem Ver-
bätniss. Doch gilt dieser Satz nicht, wenn er bloss auf die
Haupthaare bezogen wird, indem es wohl viele sehr starke
Männer gibt, die nichts desto weniger dünn angebaute
Haare, oder gar schon eine frühzeitige Glatze auf dem
Kopfe haben. Ich kannte einen Mann, der sich von Jugend
auf durch einen starken Haarwuchs auszeichnete, und in
seinem vollendeten Mannsalter sehr stark am ganzen Körper
bewachsen, und dennoch stets schwach an Kräften
war. Aber ich erinnere mich keines einzigen Mannes,
der sich durch besondere Stärke des Körpers überhaupt
ausgezeichnet hätte, und der zugleich arm an Haaren
überhaupt gewesen wäre. Denn entweder ist dann in solchen
Fällen das Haupthaar oder der Bart, oder es sind die
Haare der Brust, oder endlich jene der Extremitäten vorzüglich
stark entwickelt. Unter allen scheinen an u n d
fü r sich al l ei n die B r u s t h a a r e die nächste Beziehung
zur körperlichen Stärke zu haben. Auf sie folgen die Haare
an den Armen und Beinen, dann der Bart, und zuletzt
erst die Kopfhaare. In Bezug auf letztere zeigt uns schon
ihre starke Entwicklung beym weiblichen Geschlechte,
dass sie kein Hauptmerkmal von körperlicher Stärke seyn
können. Immer aber deuten kurze, feste und zahlreiche
Haare eher auf Körperstärke, als lange.
A nm e r k u n g . Daher das Sprichwort: V i r p i l o s u s et f o r t i s , e t
i u x u r i o s u s . — M a r e s c o t t i , Professor zu Bologna, erzählt
von einem Prediger , der ein sehr langes Haar trog, die heftigsten
Kopfschmerzen litt , und eine fast übermenschliche Stärke .zeigte:
dass er, nachdem ihm der Kopf geschoren war, seine gewöhnlichen
Kräfte wieder erhielt. Dass W a h n s i n n i g e durch das Ab-
scheeren der Kopfhaare ihre oft ungeheure Starke fast wie plötzlich
v e rlie ren , ist ebenfalls eine wohl zu beachtende Thatsache.—
Nach der heiligen Schrift verlor S am s o n seine Starke grössten-
theils mit seinen H a a ren , welche ihm seine Beyschlaferinn, D e l
i l a , durch List abschnitt. Als aber sein Haar repro d u c irt war,
kehl te die Mannbarkeit und Starke des Geistes und Körpers wieder.
3) Ein s t a rker Ha a rwuc h s ist nicht allein kein Zeichen
von geistiger Kraft, sondern sogar häufiger mit Schwäche
des Geistes verbunden. Diess gilt ganz besonders von den
Kopfhaaren, wie uns abermals ihr Erscheinen bey Weibern,
Kindern und Verschnittenen sattsam beweist. Dieser
Satz ist auch in andrer Hinsicht ganz klar; denn wenn
es wahr ist, dass ein starker Haarwuchs sich meistens bey
robusten Menschen findet, und Stärke des Körpers sich
meistens antagonistisch - polarisch entgegengesetzt — zur
Stärke des Geistes verhält; so geht von selbst hervor, dass
letztere sich mehr mit schwacher Haarbildung vertragen
werde. Diess zeigt aber auch die tägliche Erfahrung in
den häufigsten Fällen, und man scheint davon so allgemein
überzeugt zu seyn, dass man es einen Gelehrten
nicht allein, wie diess doch mehr oder weniger bey andern
Ständen eintritt, nicht übel nimmt, wenn er bey
Zeiten glatzköpfig wird, sondern dass ein massiger Glatzkopf
selbst zur Zierde eines durch geistige Ueberlegenheit
ausgezeichneten Mannes gerechnet wird. Wie wenig schadete
dem Haupte des grossen Canning sein starker Glatzkopf!
— Umgekehrt trifft man wirklich unter Cretinen
und überhaupt bey Menschen, die ein mehr vegetatives
Leben führen, und bey welchen die hohem geistigen
Kräfte entweder ursprünglich fehlen, oder noch unentwickelt
schlummern, mit einem Worte nicht in die Erscheinung
treten, so wie auch in allen Krankheiten, die
aus Uebermass des niedern Bildungstriebes entstehen, gewöhnlich
eine relativ stärkere Haarentwicklung, als bey
den entgegengesetzten Verhältnissen. — Alles diess gilt
ganz besonders vom langen Haar. —
4) Je stärkerder Ba r t ist, desto männlicher und kräftiger
ist der Ausdruck des Mannes. Ich habe schon oben gesagt,
dass das Hervorsprossen des Bartes von dem Eintreten der
Mannbarkeit unzertrennlich ist, obgleich es Fälle gibt,
wo sich bey völliger Geschlechtsreife der Bartwuchs zu