
her rührt, dass die Muskeln und die Haut, besonders wenn sie
in starkem Weingeist aufbewahrt werden, zusammenschrumpfen
und auf diese Art die Haare bis auf ihre Wurzeln zum Vorschein
bringen. Daher werden die Haare b e j allen in Weingeist
aufbewahrten Köpfen nur in der ersten Zeit noch etwas länger,
so lange sich nämlich die Haut noch mehr zusammenziehen,
und dadurch die Haare hervortreiben kann___Zwar
haben die Gegner auch ihre Meinung durch Gründe zu unterstützen
gesucht, und schon Ar i s t o t e l e s sagt: dass der
Körper nach dem Tode weniger Substanz brauche, um die
andern Theile zu ernähren, und daher für das Wachsthum
der Haare desto mehr Nahrung übrig bleibe. Andere erklären
sich das Factum aus dem doppelten Grunde, weil die
Haare zu den niedrigen Bildungen des Organismus gehören
und eigentlich mehr ein Pflanzenleben führen , und weil ihr
Wachsthum, wie B i c h a t bemerkt, keineswegs mit dem Stand
der Lebenskräfte in geradem Verhältnisse steht. Zu mehrerer
Bekräftigung führen sie sogar die lymphatischen Gefässe an
denen ja auch nach dem Tode noch Kräfte zur Einsaugung
übrig bleiben. — Insbesondere erwiedert S. G. Voge l auf
die Worte von Ru d o l p h i , dass l. solche Untersuchungen
nicht mit der erforderlichen Genauigkeit angestellt werden;
2- die Todesart und die Krankheit, warum der Mensch gestorben
ist, hierauf einen grossen Einfluss haben, so dass vielleicht
in den wenigsten Fällen ein solches Wachsen nach dem
TodeStatt finden mag (ein wohl zu beherzigender Umstand);
3. sich solche Untersuchungen an Mumien nicht wohl anstellen
lassen; sie müssten vielmehr bald nach dem Tode bey
scharfer Beobachtung geschehen. J
Allein ich halte diese Gründe für Unzureichend, dass
ich von der oben ausgesprochenen Meinung abgehen sollte,
indem ich zugleich manche der früher angeführten Erzählungen
und angeblichen Beobachtungen Anderer theils für
etwas übertrieben, theils wohl ganz unrichtig, theils gar nicht
hieher gehörig erkläre.
A nm e r k u n g . Dürfte man den angeführten Beyspielen vollen Glauben
schenken, und müsste man demnach ein wirkliches Wachsen der
Haare nach dem Tode zugeben, so lless sich diese Erscheinung
wohl n u r durch die uubestreilbare Thatsache erklären , dass die
Sphäre der R e p ro d u c tio n , welche bekanntlich die indifferentesten
Organe ln sich begreift, am spätesten stirb t, und dass in den Theilen
niederer Bildung nach dem gewöhnlichen Tode oft noch län gere
Zeit eine Art von Pflanzenleben fo rtd au e rt, wodurch noch
Schleim, Serum etc. abgesondert und äufgesaugt werden könnten.
Audi sogar die F a r b e der Haare soll sich nach dem
Tode noch ändern können. So lese ich von Dr. T h oma s
Bar t hol in *) die Bemerkung angeführt, dass man öfters bey
todten Körpern wahrgenommen habe, wie die Haare, ungeachtet
sie bey Lebzeiten schwarz oder grau gewesen waren, in dem
Grabe eine gelbe Farbe angenommen hatten, welches nach der
Meinnng B a r t h o lin ’s ohne Zweifel von den eingeschlossenen
warmen Dünsten des Leichnams seinen Ursprung habe (!?) —
Dr. Gr ü n d e l ** *) erzählt folgende interessante Geschichte:
Ein ßöjähriger Schneider zu Gratz, Kr ame r mit Namen,
der noch schwarze Haare mit wenig grauen gemischt hatte,
verlor nach und nach seine Kräfte, und starb im Jahre 1Ö79
an der Auszehrung. Eine Stunde nach dem Tode verschwand
die schwarze Farbe der Haupthaare und des Bartes gänzlich,
und sie wurden in schneeweisse verwandelt. G a rm a n n m )
schreibt aus eigener Erfahrung, dass die Haare bey Gehenkten
und denen, die aufs Rad geflochten worden, grau werden.
In den Ephemerid. Acad. not. curios. findet man ebenfalls Bey-
spiele, dass die schwarzen Barthaare den zweyten und dritten
Tag nach dem Tode weiss wurden.
Ich habe nie Gelegenheit gehabt, etwas Aehnliches zu
beobachten, und überlasse demnach die Glaubwürdigkeit der
angeführten Beobachtungen dem Urtheile der Leser.
A nme r k u n g 1. Es ereignet sich oft, dass der Bart bey alten Männern
viel stärker wächst, als diess in ihren frü h em Ja h ren zu geschehen
pflegte , und man hat, meines Erachtens , diese Erscheinung
glaubwürdig so zu erklären gesucht, dass, weil im Alter ein allgemeines
Streben zur Yerknöcherung , und eine verminderte auf
die Ausscheidung der überhand nehmenden erdigen Bestandtheile
gerichtete Thätigkeit der Nieren b e s te h t, die Natur diese letztere
Function einigermassen durch den stärkern Haarwuchs zu ersetzen
tra c h te , indem die Haare bekanntlich viel phosphowsau-
ren Kalk enthalten. In gleicher Beziehung behaupten auch Einige,
dass stark behaarte Menschen in der Regel weniger U rin von ,
sich geben, als andere n u r schwach behaarte.
*) Abhandlungen der Akademie der Naturforscher 4. Bd. 123ste Wahrnehmung.
**) A. a. O. 18ter Thl. p. 214.
***) De miraculis mortuorum. lib. I, tit, 1. §.7,