
niginn von Frankreich bey Hofe dahin brachte, dass man sicli
den Bart ganz abschor. Von dieser Zeit an griff dieseSitte auch
im übrigen Europa um sich, und so ist sie nun mit der immer
steigenden Verfeinerung und einer ihr entsprechend zunehmenden
körperlichen Schwäche allgemein geworden. Man wird
mich vielleicht auf die gegenwärtige, aus E n g l a n d geborgte
Sitte, starke Backenbärte zu tragen, hinweisen, allein diese
sind ja offenbar nur Treibhausgewächse, der Mode zulieb und
nur mit Aufopferung und also auf Kosten der körperlichen Kräfte
erkünstelt, und gar nicht in Anschlag zu bringen mit dem langsam
und naturgemäss bis zu seiner Vollkommenheit gediehenen
Barte eines ehrwürdigen Mönches, odereines ächten Muselmannes.
Da nun aber die Gewalt der Mode eine beynahe unüberwindliche
ist, so wünsche ich nur, dass Aeltern, Erzieher, vor
Allem aber die Aerztedie Wichtigkeit einer vernünftigen Haar-
cultur beherzigen, und da ihnen nun einmal die tyrannische
Mode den ganz richtigen Weg nicht zu gehen erlaubt, auch
hierin wenigstens die Mittelstrasse verfolgen möchten!!
II. Ueber regelwidrigeHaarbi ldung an den
verschiedenen Thei len des menschl ichen
K ö r p e r s .
§. 203-
So wie Bi l d un g und Ze r s t ö r u n g in der ganzen Natur
überall Hand in Hand gehen, so reiht sich auch oft durch
einen kaum merklichen Uebergang das Krankhafte dem Gesunden
an , so dass es uns dann schwer wird , die Gränzen,
beyder, sich doch gerade entgegengesetzter Zustände, gehörig
zu trennen. So ist es auch mit der Bildung der Haare.
Denn wenn ich auch früher eine ungewöhnliche Länge der
Haare in so fern noch in den Bereich einer relativen Gesundheit
zog, als uns die Beobachter solcher Fälle keine zu gleicher
Zeit, oder kurz vor - oder nachher bestandenen krankhaften
Erscheinungen an solchen haarigen, rauhen Menschen
aufgezeichnet haben; so unterliegt es doch keinem Zweifel,
dass jene ungewöhnliche Haarbildung, oder vielmehr Haarentwicklung
nur unter ganz besondern, wenn auch nicht immer
so leicht einzusehenden Verhältnissen, und somit mehr
oder weniger doch immer auf eine, von der allgemeinen Regel
abweichende Art statt finde; so wie man auf der andern
Seite nui; solche Bildung entschieden krankhaft nennen muss,
wenn a) Haare an Orten entstehen, wo ursprünglich gar keine
Spur davon vorhanden seyn soll, und wenn b) ursprünglich
regelmässig gebildete Haare durch besondere Verhältnisse,
durch ihre Menge, vorzüglich aber durch ihre Länge so
abarten, dass in irgend einem Theil des Körpers davon nachtheilige
Folgen — krankhafte Erscheinungen — entstehen.
Was nun den ersten Punct betrifft, um den es sich hier
vorzugsweise handelt, so ist zu bemerken:
1) Dass es beynahe keinen Theil des menschlichen Organismus
gibt, in welchem man nicht schon Haare getroffen
hätte. Diess gilt sowohl von äusserlichen, als auch innerlichen
Theilen.
2) Dass sie sich vorzüglich gerne an jenen Stellen bilden,
welche entweder viel Aehnlichkeit mit der allgemeinen
Hautdecke — dem'eigentlichen Heerde aller Haare — haben,
oder wo durch übermässige Vegetation Fett inüeber-
fluss vorhanden ist. Letztere ist es denn auch , welche ihr
Erscheinen auf und in den Afterproducten aller Art gröss-
tentheils bedingt.
3) Die Ursache ihres Erscheinens, also der Grund dieses abnorm
gesteigerten und nicht selten entarteten Bildungstriebs
ist in den meisten Fällen unbekannt. Entzündung, oder
wenigstens ein an diese gränzender Zustand der Reitzung,
Schwangerschaft, und anhaltende Unterdrückung der Men-
struction tragen wohl am häufigsten zur widernatürlichen
Erzeugung der Haare bey, wesshalb letztere auch so oft
in den Ovarien beobachtet wird.
4-) In solchen innern Theilen eingeschlossen kommen sie,
wie J. F. Meckel *) richtig bemerkt, immer mit einer
Fett - oder wachsartigen, bald flüssigen, baldhärtern Substanz
vor, von welcher sie umgeben sind.
5) Sie entspringen entweder gleich den regelmässigen Haaren
aus einer freyen Oberfläche in irgend einer Höhle des
Körpers, oder sind freyliegend in eine Kapsel, einen Balg
*) Archiv für die Physiologie Bd. 1. p. 519 — 537-