
doch vollkommen widerlegt durch den Dr. Ju l. He i n r i c h
Theop h i l * Schl eg el .
Nichts desto weniger trat in den neuern Zeiten Baron
L a r r e y *) als ein eifriger Vertheidiger der Wo l f ram m’-
schen Ansicht auf; indem er glaubt, dass die Krankheit aus
Asien komme, und nichts anderes sey, als eine Varietät der Syphilis
, deren Symptome durch die Veränderung des Klima
und der Lebensweise maskirt, und ihrer eigentlichen Natur
beraubt wurden, und die überhaupt schon seit den ältesten
Zeiten auch im Innern von Aegypten bestehen soll. Nebstbey
begeht aber L a r r e y den bedeutenden Fehler, dass er den
Weichselzopf für keine wahre Krankheit der Haare, sondern
bloss für eine örtliche, künstlich erzeugte, und von so vielen
andern, wovon man sie herleiten wollte, gänzlich unabhängige
Affection hält.
Nach J. F r a n k ist der Weichselzopf eine eigene Form
des Aussatzes, Lepra, und er stützt diese Meinung einerseits auf
den gleichzeitig mit dem Weichselzopfe durch die Mongolen
aus dem Orient nach Europa gebrachten Aussatz, und anderseits
auf die, beyden Krankheiten in so hohem Grade verwandten,
eigenen Symptome. Indessen sind theils, wie wir gesehen
haben, die allgemeinen Symptome des Weichselzopfes von der
Art, dass man sie beynahe jeder chronischen Krankheit anpassen
könnte, theils ist der krankhafte Zustand der Haare, um
den es sich hier doch hauptsächlich handelt, in beyden Krankheiten
wesentlich verschieden, ja sich gerade entgegengesetzt.
Denn bekanntlich sterben die Haare in der Lepra aus Mangel an
Nahrungsstoff, werden weiss und fallen ab. Wie ganz anders
verhalten sie sich aber beym Weicheizopf? Einladender für
F r a n k ’s Ansicht Aväre freylich die Beschaffenheit der Nägel,
wenn man sie für ein beständiges, also ein pathognomisches
Zeichen der Plica annehmen dürfte.
Doch unter allen Theorien über das Wesen des Weichselzopfes
wurde keine mit so viel Kunst entfaltet, und mit so
viel Wärme vertheidiget, hat sich keine, trotz der vielen Streitigkeiten,
die sie erregte, so lange behauptet, als diejenige,
welche den Weichselzopf als eine Kr a nkhe i t e igener Ar t
(Morbus sui generis) aufstellt, zu welcher theils eine besondere,
oft ererbte Anlage, theils Ansteckung selbst, fähig macht.
') Im Bulletin des Sciences medicales ä Paris, F ev rie r 1808.
Die Anhänger dieses Systemes, an deren Spitze L a f o n t a i n e
steht, sagen, dass man eine Menge höchst verschiedener
Symptome beobachtet, welche dem Uebertritte des .Weichselzopfgiftes
(Virus trichomaticum), in die Haare vorangehen;
dass sich ferner dieses Gift nicht gleich mit seiner Gegenwart
offenbare, sondern längere Zeit, ohne Schaden für die Gesundheit
verborgen bleiben könne, bis ein günstiger Umstand es mit
allen seinen charakteristischen Erscheinungen hervorruft; und
dass endlich die eigenthümliche Metamorphose der Haare selbst
als die Crise jenes contagiösen Krankheitsprocesses anzusehen
sey.
Gegen diese, obgleich sehr verbreitete Theorie erhoben
sich jedoch schon früh manche Gegner, deren Zug der phantastische
pohlnische Leibarzt Da v i d s on im Jahr l6Ö8 auf
eine eben nicht rühmliche Art eröfinet. Denn nach seiner
Meinung ist der Weichselzopf eigentlich nur den Köpfen einiger
abergläubischer Weiber entsprungen, deren Angabe sodann
auf leichtgläubige Aerzte überging: „Est voluntarius morbus,
si morbus debeat dici, et nullus habet} nisi (]ui non velit ca-
rere: nam affectcitio credendi absque ratione, ea quae fama in-
ter pulgus sparsit, illam genuit, et fama aliis credulitate suppe-
dilavit,“
Ma n g e l an Re i n l i c h k e i t , und namentlich Ver n
a c h l ä s s i g u n g des Kämme n s sind nach ihm die alleinigen
Ursachen des VVeichselzopfes. Letztere Angabe fand
nichts desto weniger viele Vertheidiger, und ist auch in den
Breslauer Annalen vom Jahr 1724- deutlich ausgesprochen.
Dr. Kr e u z e r zu Smolensk leistete ihr ebenfalls peuen Vorschub,
indem er sagt: bloss der Gebrauch des Kammes kann
Pohlen von diesem Uebel befreyen.
Weit mehr Aufsehen, als diese Männer machten aber in
der neuern Zeit Boyer, L a r r e y und Rou s s i l l e - Cham-
s e r u , welche geradezu erklärten, dass der Weichselzopf keine
Krankheit eigener Art, sondern vielmehr e i n e k ü n s t l i c h e r -
ze ugte sey, die einerseits ihren Grund in der entsetzlichen
Unsauberkeit der pohlnischen Nation, und andererseits im
Aberglauben fände, und dass es nur einer gut besorgten Hygiene
bedürfe, um Pohlen von dieser vermeintlichen Geisel
zu befreyen.
Dieser Meinung huldigte in der neuern Zeit auch Gase,
der durch sein Memoi re zugleich den, von der Societe de me