
Treten dann Verhältnisse ein, wo der Organismus, sey es nun
auf normale oder krankhafte Weise, sich selbst ein Uebermass
von diesem Fluidum schafft, dann wird es sich, auf entgegengesetztem
Wege an die Peripherie des Körpers gebracht, wieder
in den Isolatoren — den Haaren — ansammlen, und da es
in zu grosser Menge im Körper zurückgehalten wird, hyper-
sthenische Zustände erregen, bis man ihm auf irgend eine Art
— durch Entziehung der positiven Lebensreitze, des Blutes
u. d. gl., oder durch gänzliches Abschneiden der Haare_einen
Ausweg verschafft, oder seine schädliche Menge auf ein
unschädliches Mass herabgesetzt hat. Diess ist wenigstens eine
nicht ganz zu verwerfende Art, die guten und bösen Folgen
des Haarabschneidens bey und nach Krankheiten, oder in gewissen
Lebensperioden zu erklären, worauf übrigens noch
in der Pathologie nähere Rücksicht genommen werden soll.
Endlich scheinen mir auch die ganz sonderbaren ^Virkun-
gen des Haarst reichens, oder des Krauens beyMenschen
und Thieren ihre einzig richtige Erklärung darin zu finden,
dass wir sie auf die dem Körper auf solche Art mitgetheilte,
oder wenigstens stärker erregte Electricität beziehen. — Wenn
man einer Katze auf ihrem Rücken ganz sanft hinstreicht, so
richtet sie nicht nur ihren Schwanz augenblicklich senkrecht
in die Höhe, sondern zeigt auch noch durch andere auffallende
Geberden, und namentlich durch ihr bedeutungsvolles
Schnurren das Wohlbehagen an , in welches ihr ganzer Körper
dadurch versetzt wird. —. Bekanntlich werden muthige
Pferde, oder andere scheue und störrische Thiere am besten
durch das sogenannte Streicheln besänftigt, ja oft auf dieselbe
Art eingeschläfert, wie das Kind auf dem Schooss der Mutter,
welche mit ihrer Hand nur eine Zeit lang in den Haaren
des muthwilligen Kleinen spielen darf, um ihn zur Ruhe
zu bringen. Wer kennt nicht die wollüstige Empfindung, die
den ganzen Körper blitzschnell durchzieht, wenn eine geliebte
Hand vorzüglich des andern Geschlechts — unsere Haupthaare
streicht? — Auch scheint mir die Sache eben nicht ungereimt
zu seyn, wenn man die wenigstens in unserm Welttheile
unter dem gemeinen, und ja wohl auch unter dem gebildeten
Volke fast allgemein zu beobachtende Gewohnheit: bey
Verlegenheiten sich die Haare zu streichen, einigermassen
auf die sonach durch Erregung der Electricität gesteigerten
Lebenskräfte zu beziehen pflegt. — Endlich wird uns auf diese
Art auch die hohe Wichtigkeit des B ü r s t e n s der Haare in
manchen Krankheiten erklärlich, indem dadurch ebenfalls auf
Entwicklung der electrischen Materie hingewirkt wird; und
in dieser Hinsicht ist der Rath J a h n ’s wohl zu beherzigen:
dass es da, wo es Belebung verschaffen soll, von den Kranken
selbst, da aber, wo es ein Uebermass von Belebung vermeiden
soll, von andern Personen verrichtet werden müsse,
und dass es in jenem Falle am kräftigsten wirken soll,
wenn der Kranke dabey isolirt werde. Dem Einwurfe, dass
sich alle diese Erscheinungen leichter und fasslicher dadurch
erklären lassen, dass hier eigentlich die Haut, nicht aber die
Haare zunächst in Anspruch genommen, und in ihren Lebensäusserungen
gesteigert wären, widerlegt die Thatsache vollständig,
dass man die angeführten Erscheinungen nur an beh
a a r t e n Theilen der Haut wahrgenommen hat.
Da endlich Licht und Electricität in so naher Verwandtschaft
stehen, dass man letztere sogar ein concentrirtes Licht
genennt hat, und da alle electrischen Erscheinungen im Grunde
auch in einem eigenthümlichen, freylich noch nicht ganz
klaren Wechselverhältnisse zwischen der Sonne, als der Haupt-
cruelle des Lichts, und der Erde sammt den auf und in ihr
enthaltenen Dingen beruhen; so scheint es eine tiefere Bedeutung,
als man bisher glaubte, zu haben, dass alle Thiere,
welche Haare besitzen, an der Lichtseite ihres Körpers behaarter
sind, als an der entgegengesetzten — der Erdseite.
Ich weiss wohl, dass wir für diese Thatsache noch einen andern
physiologischen Grund in Bereitschaft haben, den ich
auch später ausführlich angeben werde; dennoch glaube ich
den erstgenannten insofern würdigen zu müssen, als er uns
einen neuen Weg eröffnet, auf welchem wir die belebenden
Kräfte des Lichtes mittelst der Atmosphäre auf unsern Körper
wirken sehen.
§. 134-
Von der Ausdünstung des Körpers durch
die Haare.
Die Idee, dass die Haare ausdün s ten, oder dass überhaupt
durch sie der Körper gewisse Stoffe an die äussere Natur
abgebe, ist so alt, als die Physiologie der Haare selbst. Die