
die Wärme von innen zur Erzeugung und Fortschaffung der
Haarmaterie bejtrage, so sej auch die Kälte nöthig, um sie
zurück zu halten. Der Trockenheit widerspräche schon die
einzig wichtige Thatsache, dass sowohl der menschliche als
Thierfoetus schon stark behaart sey, ungeachtet er ja bekanntlich
im Wasser schwimme. Den Einfluss der Dünnheit und
Dicke der Haut widerlegt er durch die Haut des Elephanten,
welche bekanntlich sehr dick, und doch fast haarlos, da das Fell
des Kaninchens hingegen fein , und doch voll Haare ist. Mehr
hält er auf die Stärke der Haut, indem er anführt, dass die
Rückenhaut der Thiere stärker, als ihre Bauchhaut, und in
diesem Verhältniss auch behaarter sey. Doch gibt er endlich
zu , dass je nachdem das Parenchym der Haut fruchtbarer und
fetter ist, die Haare auch desto häufiger, grösser und länger
heraus wachsen.
B i d 1 o o *) hat nach Mal p i g h i die besten Abbildungen
der Haare geliefert, und sie auch kurz und gut beschrieben.
Unter allen seinen Zeitgenossen hatte er sicher mit Mal pi ghi
die reinste und naturgemässeste Ansicht, obgleich er noch die
Idee festhielt, dass die Haare den Schweissgefässen eingepflanzt
seyen. ,,Sudoris vasa, quibus pili implantantur.“ — Dieme r -
b r o e c k " ) lässt die Haare aus einem eigenthümlichen Safte
entstehen, den sie aus dem Theile, wo sie sind, ziehen. Er
nennt diesen Saft: siccus, crassus, terreslris, viscidus, ex san-
guine ahope quocunque humore genitus et specifica modo praepara-
lus. Je nachdem ihm dann eine andere Flüssigkeit beygemischt
wird, ändert sich auch die Farbe der Haare, die z. B. durch
die gelbe rothgelb werden. Ferner erklärt er durch die Dicke
und erdige Beschaffenheit dieses Saftes die Härte, Zähigkeit,
Dehnbarkeit und Festigkeit der Haare. Zugleich widerlegt er
die G a len ’sche Meinung, welcher zuFolge die Haare ab excre-
menlo fuliginoso entstünden, gründlich in sechs Punkten?** *)._
Ganz andere Ansichten hatte der kunsterfahreneRuyschf)
über die Entstehung der Haare. Er fand nach Hinwegnahme
der Epidermis unzählbare, äusserst feine Erhabenheiten, die
er für die umgekehrten Behältnisse der Haare (Theculae inaer-
*) Anatomia hum. corporis 105 tabulis demonslrata. fol. Amstel, 1685.
) Opera omnia med. et anal. Genevae 1687.
***) A. a. 0 . p. 483 — 85.
+) Thesaurus animal. VIII. Nr. 9y. 2. Anno 1695.
sae) und der Hautpapillen hielt, von welchen die Haarwurzeln
bedeckt sind. Die Haare sind ihm nichts anderes, als Fortsetzungen
aus den genannten Hautpapillen. Die Wurzeln der
Haare entstehen demnach aus den Endigungen der Nerven
(ideo tantus dolor ex illorum evulsione'). — Doch sagt er in seinem
ersten Brief an Gau b : „Se oidisse, radices pilorum non
semper a glandulis cutaneis emergere, eo magis, quod vidimus
aliis in locis pilos tarn profundas agere radices, ut a pinguedine
ipsa originem habere aideantur.u In der ersten Decas seiner
Adversar. anatom. pag. 15, scheinen ihm bloss jene Papillen,
welche tiefer in der Haut gelagert sind, dazu zu dienen, dass
sie den nachwachsenden Haaren die Basis geben. Diese Wärzchen
sind jedoch an der Zahl weniger, und zeigen sich unsern
Augen auch nicht so leicht, wenn nicht vorher die Gefässe
irgend eines behaarten Theiles mit rother Masse ganz angefüllt
sind. Einmal, als R u y s c h diese Operation in Gegenwart
vor Bo e r h a a v e angestellt hatte, wunderten sich alle Anwesenden,
dass nur jene Wärzchen, aus denen die Haare entspringen,
ihre weisse Farbe behielten, und sich so von allen
übrigen, die ganz gefärbt waren, unterschieden. — Ru y s c h
kannte also dieStructur der Haarzwiebel und des Balges durchaus
nicht, und hat sich auf eine fast unglaubliche Art von dem
Wege der Wahrheit verirrt. Nichts desto weniger huldigte der
grosse Boerhaave in seiner Physiologie diesen Ideen ganz,
und theilte daher die Haare in zwey Klassen, wovon die erste
in wirklichen Fortsetzungen der Haut besteht. Die Nervenwärz-
chen geben nämlich, indem sie durch die Oeffnungen des
Ma 1 p i gh’schen Netzes durchgehen, Fäserchen von sich; ein
solcher Faden wickelt das Oberhäutchen wie eine Scheide um
sich herum, geht jetzt hervor, und wird an der Luft hart und
trocken. In so fern sind also die Haare wirkliche Nervenfäser-
chen. Die zweyte Klasse begreift dann jene Haare in sich, die
aus den Fetthöhlen oder einfachen Drüsen entstehen. —
Der erfahrene Mo r g a g n i * ) folgt rücksichtlich der
Entstehung der Haare dem Col umbus , und theilt die Ansicht
von Ruysch in Bezug auf die Hautpapillen. Doch ist
e r , was die Haarbälge anbelangt, gleichen Sinnes mit M a 1-
p i g h i und Chi rac. Auch gibt er an, dass man den Ursprung
der Haare am besten an der Scham einer Frau darstellen könne.
*) Adversaria analoiuica p, II. Animadvers, 5. p. 34. Anno i 706.