
zuscheeren , sondern ihnen stets eine Länge von wenigstens
‘/j bis 3/4 Zoll zu lassen.
§. 201-
Bisher war bloss von dem. Schaden des Haärabschnei-
dens fdr die Gesundheit überhaupt die Rede; und es ist daher
jetzt noch der Einfluss desselben auf den k r a n k e n Organismus
insbesondere zu erwägen. Es ist leicht einzusehen,
dass dieser nothwendigerweise noch deutlicher hervortreten
müsse, als jener auf den gesunden Körper.
Wir kommen hier zunächst auf ein doppeltes Verhält-
niss, denn dieser Einfluss ist entweder nützlich oder schädlich.
In der erstem Beziehung ist er demnach zu den Heilmitteln zu
rechnen, und wirklich sehen wir auch, dass das Abschneiden
und Abscheeren der Haare schon in den ältesten Zeiten unserer
Kunst als ein wichtiges He i lmi t t e l angesehen wurde.
Schon Cael ius Aur e l i a n u s *) räth jn der Phrenilis
vom 5ten bis zum 7ten Tag, das Haupt zu scheeren: „Caput
detondemus, etenim detractis capillis partes reßantur, plurime gra-
vatione l ib e r a ta e ferner in der Satyriasis heisst es ausdrücklich
: „Perrasis capillis pubes scarificatur“ **). Selbst in der Paralysis
lässt er das Haupthaar abscheeren: „Ordinamus etiam,
si quid partialiter loco patienti adhiberi poterit, ut capili passio-
ne vexato ras ionem c ap i l l o rum nunc pro capillqlura, nunc
c o n t r a capillaturam. In mulieribus oero , quae id Jieri non f ä dle
permittunt, denso pectine exerceri capillos imperamus (aut
p ro aut c o n t r a capillaturam) et cum vehementi conatu, atque
primo aliorum manu et raro pectine, tune mqgis denso ei aegro-
tanlis manuu ***).
Im Lethargus befiehlt Ar e t a e u s Ca p p a d o v ****) : „ Ut
vellaniur p i l i f eben so ist er bey der Behandlung des Kopfschmerzes
für die Nützlichkeit des Haarabscheerens *£•). C e 1-
sus ging noch weiter, indem er vorschlägt, bey entzündli-
*) De morbis acutis et chronicis. lib. VIII. Venet. 1757. p. 21, 22.
lib. I. acut. cap. VIII.
**) P. 182. acut. lib. III. cap. XVIII.
* * * } A. _a. O. lib. II. p. 259-
* * * 3 De causxs et signis morburum ctc. ab Herrra,
Balav. 1 7 7 5 . p. 78. lib. 1 .
t ) P 116.
Bo e r h a v e . Leydae
chen Krankheiten die Haare früher zu schneiden, ehe die
Wuth eingetreten ist **). Auch bey langwierigen Augenentzündungen
hält er oft das Haarschneiden für das einzige Mittel
, das einen guten Erfolg nach sich zu ziehen pflege. S y-
de nham **) räth gleichfalls die Abrasio capillorum in phreni-
tide a calefacientibus inducta, als ein sehr gutes Mittel an, um
eine Revulsion von den innern Theilen zu machen; auch
stimmt er dem Ar e t a e u s nicht bey, welcher die Veränderung,
die unmittelbar nach dem Scheeren entstand, für zu
gross hielt, um zu wagen, die Haare auf einmal abzuschneiden,
sondern sie wenn sie lang wären, nur halb abschneiden
liess.
V an Swieten ***) spricht auf gleiche Weise für die
wohlthätige Wirkung des Haarabschneidens in der Phrenitis :
„gratum enim rejrigerium capiti sic conciliatur, et insignem mu-
tationem percipere solent aegri.u Doch wandte er nie ein Pflaster,
oder eine sonstige starke Kopfbedeckung, noch Oel oder
Fett darnach an, weil er dadurch die Hautausdünstung zu
hindern fürchtete.
Unter den neuern Aerzten rathen einige auch im Typhus
coniag. das Abschneiden und Abscheeren der Haare, wenn
nämlich die Typhomania heftig ist. v. Hi l d enb r a nd hält es
aber nur im ersten Zeitraum rathsam, im nervösen und letzten
Stadio aber für unbedingt schädlich, weil es die hier so
nothwendig herzustellende Hautverrichtung auf eine nachtheilige
Weise stören würde. —
Ehmals setzten die Kalendermacher das Haarabschneiden
als eine chirurgische Operation mit in die Kalender, und sie
sollte nur an gewissen Tagen unternommen werden. Auch
hielt man bey starken Kopfschmerzen sehr viel auf das Abscheeren
des Wirbels.
Ich selbst kannte eine alte I tal iener inn, die sich durch
Erkühlung einen starken Kopfschmerz zugezogen hatte, we
eher viele Jahre anhielt, sich alsbald verminderte, wenn ihr
Haupthaar abgeschoren wurde, aber auch wiederkehrte, so")
Lib. III. cap. 18.
**) Opera omnia Venet. 1766, p. 113.
* * * ) Comcntar. in Bo c r h a v i Aphorismos. Leyd. Bal*v. 1759. Tom.
11, p. 613.