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gehen liess , und keinen andern Unterschied bemerkte, als dass
sich das Mumienhaar etwas später ins Gleichgewicht setzte , vielleicht
bloss darum , weil es n ich t durch Lauge vorher gereinigt
worden war,
A n m e r k u n g 8* Wer endlich je schon einmal ein altes Grab besucht,
und die d a rin vermoderten Leichen betrachtet h a t, wird gewiss
die Haare beynahe noch ganz unversehrt gefunden haben. Denn
frey vom Z u tritte der atmosphärischen Luft lassen sie J a h rh u n derte
an sich vorübergehen , ohne im Geringsten v erändert zu
erscheinen. Auch faulen sie weder an der Luft noch im AVasser.
Daher darf man die Angabe nich t für übertrieben halten , dass
z. 33. ein über 180 Jahre in einem Gewölbe gestandener Sarg bey
der Eröffnung n u r noch ein Büschel Haare und ein Paar Sporen
ausser der Asche enthielt. — Doch gilt die U n v e rw e s l i c h -
k e i t nicht von allen H a a ren , und es finden auch Grade derselben
Statt. Die sogenannten Hauthaare oder die Wolle , gehen
so wie auch die langen und weichen bald in Faulung über. Die
biegsamen und doch h arten Haare, z. B. am Haupte und Barte
erhalten sich ebenfalls länger als die N a s e n -, O h re n -, Achselund
Schamhaare. Auch die blonden gehen früher in Fäulniss
über als die dunkelgefärbten ; dasselbe gilt von den Haaren der
K in d e r, im Vergleich zu denen des mittleren und hohen Alters.
Eines der merkwürdigsten Beyspiele der Unverweslichkeit der
Haare gibt folgende Geschichte von dem Leichnam der Tochter
Cicero’s , wie selbe G a b r i e l de Z e r bi s*) beschreibt: „Nos
„vidimus et tetegimus Romae cadaver mulieris in via Appia ex op-
„posito v ia e , ubi erat sepultura Ciceronis , et ideo existimatum
„fuit a p luribus, illud esse tum cadaver Tulliolae, Ciceronis filiae-
„dilectissimae ,~sicut per inscriptionem p o tu it in te llig i: q;uod ca-
„daver de lumulo extractum, in quo maxima parte myrrhae et de-
„rnum mumiae praeservatum creditur a corruptione a temporibus
„Ciceronis usque ad Sixtum IV. Pontificem maximum ; quod tem-
„pus subsequenler fuit usque prope annum 15tum, cujus cadaveris
„ inerant c a p i 11 i c o n s e r v a t i et ornati in infula aurea, u t mo-
„ n s erat eo tempore. Quod quidem cadaver, quod etiam a tota com-
„munitate curialium visum f u i t , remotum a loco illo , et Romam
„delalum, in tribus diebus remoto conservante p u tru it, et ad demix-
„tionem eleruentorum divenit.* Es blieben also diesem gemäss die
Haare von Cicero’s Tochter bis zu den Zeiten des Papstes Sixtus, ja
nach Andern**) sogar bis zu denen des Papstes Paul III ,, also volle
1500 Jahre unversehrt im G rab e .— Eine ähnliche Beobachtung soll
auch And. G r y p h i u s ***) an einer Mumie zu Bresslau gemacht
*) Liber anatomicus corp. hum, sub titulo : Anatomia capillorum fol. 15*
**) F o rtu n a t. Licet. de Lucern, antiquitat. lib. I. c. 2. p. 8 et lib. IV,
c. 4. p. 267* — Alexander ab Alex. Diero Genial, lib. III.. c. 2*
***) In Mumifs' Vratislav, p, 40.
Or gani sa t ion
haben, T e r t u l l i a n * ) schrieb wahrscheinlich von C a r t h a g o ,
dass nach 500 J a h re n die Knochen noch feucht u n d die Haare noch
riechend (olentes) gefunden wurden. Im Jah re 1827 wurden auch in
Amerika und zwar amF u sse eines Berges unfern Arica in P eru die
Körper einer F ra u und eines Kindes in einem mumienartigen Z ustande
gefunden, und v o m D r . H a m e t t nach England geschickt. Die
Haut des Körpers hatte das Ansehen von trockenem L e d e r; das
schwarze Haar w ar wohl erhalten u n d in lange Zöpfe geflochten, welche
über der B rust xusammengedreht waren. E in anderer Kopf einer
Indianerinn, der ebendaselbst gefunden wurde , und der gleich
dem vorigen nach dem besonderen Bau des Schädels einem U re in wohner
von Südamerika angehören musste, h aue noch glänzendes,
wohl erhaltenes, ungemein schwarzes, schlichtes, grob und fest zusammengeflochtenes
Haar **). Auch ich hatte durch die Güte des H rn.
Directors v o n S t e i n b ü c h e l Gelegenheit, die Haare von einem
3000 Jah re alten Mumienkinde aus Aegypten zu untersuchen.
Sie waren durch die harzige Masse, womit der Körper einbalsa-
m irt worden, ganz an die Haut wie angeleimt, und n u r durch die
grösste Sorgfalt gelang es m ir , e in ig t von ihnen mit der Wurzel
auszureissen. Um sie sodann u n te r dem Microscope näher u n te rsuchen
zu k ö n n en , löste ich den harzigen Ueberzug zuerst in
Weingeist auf, wodurch die Haare alsbald ih re Sprödigkeit verloren
u n d , wie ganz frische, biegsam wurden. (Was also H errn
Dr. F r i c k e in Hamburg n ich t gelang, gelang mir durch Auflösung
der Harzmasse in Weingeist.) Sie zeigten auch u n te r dem
Microscope ganz denselben Bau n o c h , un d ih re rothe l a r b e
scheint n u r von der Balsamirmasse h e rzu rü h ren , oder sollte die ses
Kind zu jenen in Aegypten damals für unglücklich gehaltenen
Geschöpfen mit angebornen ro lh en Haaren gehört haben? —■
C u v i e r berichtet a u c h , dass man in neuern Zeiten am Eismeer
u nter dem Eise elephantenartige Thiere mit Haut und Haare gefunden
habe, wobey vorzüglich letztere gut erhalten waren.
Tab. XII. Fig. 123, 124- gibt eine genaue und getreue Ansicht
von dem Mumienhaar.
§• log-
O r g a n i s a t i o n .
Die Eintlieilung des Haars ist hier dieselbe, wie beym
Thierhaar, nämlich a) in den Balg, und b) in das eigentliche
Haar, welches dann wieder in seine Wurzel oder Zwiebel und
den Haarschaft zerfällt. Der Balg oder die Kapsel (Sacculus s.
*) L. de resurrectione carn. de p. 65-
**) The New Monthly and London Magazine Jir. CXV1I, Sept. 1- 1830.