
der Bart wenigstens 2 — 3 Jahre zur vollkommenen Ausbil-
dung. — Bey mannbar werdenden J u n g f r a u e n sprossen
über den Mundwinkeln nur feine, kaum merkliche Härchen hervor,
die in der Regel unentwickelt bleiben. — Nunmehr bleiben
alle Haare, da sie ihren höchsten Grad von Ausbildung erreicht
haben, so Zusagen, eine geraume Zeit hindurch stehen, wachsen
in dem Müsse, als man sie abschneidet, und die übrigen
Verhältnisse der allgemeinen Reproduction auch ihrer Ernährung
mehr oder weniger günstig sind. Bey We i b e r n entstehen
in der Periode, wo die Reinigung aufhört, um den Mund,
an Kinn und Lippen in dem kurzen, weichen, farblosen Flaum,
den bey nahe jede Jungfrau schon hat, einzelne längere, steifere,
etwas dunkler gefärbte Haare, gleichwie nach B lume nbach*)
bey manchen Vögeln die altern Weibchen nach und
nach männliches Gefieder bekommen. In seltnem Fällen tritt
dieser weibliche Bart nicht allein schon lange vor der genannten
Periode ein, sondern die Haare färben sich auch mehr und
mehr dunkel, und bilden so einen, freylich immer nur schwachen,
we i b l ic he n Kn e b e l b a r t ; wie ich denn selbst viele
Mädchen und Jungfern, geschweige denn erwachsene, vorzüglich
braunhaarige oder überhaupt dunkelgefärbte Weiber gesehen
habe, welche ein ganz artiges Schnauzbärtchen, beson-
ders gegen die beyden Mundwinkeln zu hatten. —
Gegen das E n d e d esL e b e n s nimmt auch das Haarsy-
stem an der allgemeinen rückschreitenden Metamorphose, und
nach und nach auch an demErlöschenAntheil, das beynahe alle
peripherischen Gefässende trifft. Die färbende Substanz, die
in dem Innern der Haare enthalten war, stirbt ab, daher erscheinen
die Haare nach und nach zusehends weisser, sie bleichen
sich. Ex corvis mutamur in cygnos. Mec k e l setzt den
Anfang dieser Erscheinung schon in das dritte Jahrzehend,
und nach ihm wird etwas später auch der Zusammenhang des
Haax-s mit dem Balg zerstört, und die Haare fallen aus. Ar i s
t o t e l e s sagt daher eben so wahr als schön: Der Winter
raubt der Pflanze ihre Blätter, die aber das nächste Jahr wieder
kommen; dem Menschen raubt sein Winter die Haare,
ohne dass er sie jedoch wieder bekommt, weil seine Jahrszei-
*) Handb. d. vergl. Anatomie 2. Aull. Gott. 1815. §. 137, und in dessen
Commenlatio de anomalis et vitiosis quibusdam nisus formativi
observationibus. Gott. 1813. H. p. 8.
ten nicht wechseln. Und Owe n schrieb an einen Kahlen:
Arboribus redeuni crines, et gramina campis;
At capiti frondes non rediere tuo.
Nach meiner Meinung ist der Zeitpunkt, wo die Haare
in der Regel zu bleichen anfangen, hier etwas zu früh angenommen,
und ich möchte wenigstens das 40te Jahr als die Anfangszeit
des Ergrauens der Haare bezeichnen. Die Haupt-, besonders
aber die Schläfenhaare, die zuerst entwickelt waren,
sterben auch zuerst ab, dann folgen die Bart-, Nasen-, Achsel
und Schamhaare *), die Augenbraunen, welche schon
früher sparsamer und schlicht geworden waren, und zuletzt
die übrigen Körperhaare und die Cilien. Da jedoch, wie
wir in der Physiologie hören werden, das Wachsthum und
die Ernährung, somit also auch die normale Färbung der
Haare von einer Menge Ursachen, namentlich aber auch
von überstandenen Krankheiten, von der Nahrungs- und Lebensart,
ja selbst von Leidenschaften abhängen, so ergibt
es sich von selbst, dass die so gefürchtete Periode des Grauwerdens
bald früher, bald später, überhaupt ganz verschieden
eintreten könne. Im Allgemeinen werden schwarze Haare
früher grau, als helle; so wie auch die dunkelsten Haare am
weissesten werden. So entstehen z. B. aus den schwärzesten
Haaren im Alter die glänzend agathweissen, und wie Glas.durch-
sichtigen, aus andern die gewöhnlichen glanzlosen grauen Haare.
Krause Haare werden später grau, als glatte. — Immer
sind graue Haare trockner, steifer, platter, rauher, und oft
auch dicker und gerader, als die andern. Uebrigens werden
die Haare nicht auf einmal in ihrer ganzen Länge bleich , sondern
das Bleichwerden beginnt immer von der Spitze gegen
die Wurzel. Ich beohachtete sogar den untersten Rand der
Wurzel im letzten Stadio des Erbleichens noch schwarz gesäumt.
Häufig trifft man das theilweise Ergrauen der Haare mit
ganz weissen Haaren gemischt. Ueberall, wo das aus der Haut
getretene Haar noch gefärbt war, hatte auch die Haarwurzel
gleiche Farbe, und das bereits ganz erbleichte Haar hatte stets
auch eine weisse Wurzel. —- Uebrigens fand ich rücksichtlich
der Textur zwischen bleichen und gefärbten Haaren gar keinen
*) D ass die Schamhaare zuletzt grau werden, lesen wir schon bey
A r l s t o t ei cs hislor. an. 1. 3* c. 20*