
selbst zu wohlthätigen Gesetzen gab. — Ich hege selbst die
subjective Ueberzeugung, dass wir Eu r o p ä e r in jeder Beziehung
kräftiger und stärker seyn würden, wenn wir gleich
den orientalischen Völkern die Zierde unsrer Mannheit (decus
atque ornamentum viri), unsern Bart, ungehindert wachsen Hessen.
Wie kolossal steht der Mu h ame d a n e r , der Rus se,
den übrigen europäischen Nationen gegenüber! Wie ehrwürdig
und kraftvoll sehen uns die antiken Büsten berühmter Männer
an! Sollte die Verstümmlung des Bartes hierauf keinen
grossen Einfluss haben? Freylich wird man sagen, schee-
ren sich ja die T ü r k e n die übrigen Haare ganz ab. Wohl,
aber ihre Zeugungskraft leidet viel weniger darunter, als bey
uns, wo offenbar ein Theil des secernirten Samens auf die
Production der Barthaare verwendet wird. — Wenn die Israel
i ten die Absicht batten, sich ein neues Land zu erobern,
so wurde das Rasieren allgemein untersagt *).
Die Geschichte, welche uns B a r t h o l i n von einem Be-
nedictinermönch erzählt **) ist ein merkwürdiger Beleg, in
welch’ genauer Verbindung der Bart mit den Augen stehe. Dieser
Mönch verlor jedesmal, wenn er sich rasierte, sein Gesicht; je
länger er aber den Bart wachsen liess, desto besser sah er. Sein
Prälat musste ihn also vom Rasieren dispensiren. — Eben so
führt I s i b o r d ***) ein Beyspiel an, wo ein französischer Mönch
nach dem Rasieren heftige Zahnschmerzen bekam, die sich
mit dem allmählig wachsenden Barte wieder verloren. Diess
in Bezug auf das Rasieren in gesundem Zustande. Dass es während
und unmittelbar nach einer schweren acuten Krankheit
noch schädlicher wirke, habe ich zum Theil schon oben durch
Beyspiele aus der Erfahrung bewiesen, denen ich hier noch
einige beyfüge, welche beweisen, dass das Bartscheeren auch
als He i lmi t t e l wirken könne:
Dr. Han n a e u s sah einen General, der seinen starken
Kopfschmerz verlor, sobald er sich die Haare im Genicke abnehmen
liess. Waren diese wieder gewachsen, so kam der
Schmerz wieder ****).
*) Levit. 1 9 . 17.
* * ) Epistol. med, cap. III. 6 7. p. 275.
***) Breviar. rer. raemor. num. 30*
+ ¥ * ¥ j I52sie Wahrnehmung aus den Abhandlungen der k. Le o p o l d ,
C a rls-A k ad emie der Naturforscher p. 273. l7 te rT h i,
Dr. Bo x b a r t er sah 1Ö88 zu Ulm einen 25 jährigen
Augustinermönch, der mit Schwachsichtigkeit behaftet war.
So oft er sich die Achselhaare abschneiden liess, sah er besser,
liess er sie wachsen, schlechter *).
Mo r g a g n i **) heilte einen Wahnsinnigen dadurch, dass
er ihm oft den Bart scheeren liess. Es schwitzte aber jedesmal,
wenn die Haare wieder zu wachsen begannen, eine
schmierige Materie aus, welche stark roch.
R i c h e r a n d ***)erzählt, dass e i nCa r t h e u s e r sich jeden
Monat den Kopf scheeren liess, um der Regel seines Ordens
z u genügen; er bekam jedoch unerträgliche Kopfschmerzen,
sobald er seine Haare einige Monate wachsen liess, welche sich
wieder verloren, sobald er diese Operation in kurzen Zwischenräumen
vornahm.
So sehr sich nun die bisher angeführten Beobachtungen
über die Vhrkungen des Haarabschneidens und Bait-
scheerens zum Theil gerade entgegengesetzt sind, so zeugen
sie doch alle ohne Ausnahme von der hohen Wichtigkeit
der Sache. Auch bleibt immer ein starkes Uebergewicht von
Gründen für jene Meinung, nach welcher das Haarscheeren
überhaupt, vorzüglich aber das so oft wiederholte, in den
meisten Fällen schädlich is t, indem es uns einen Theil unserer
Kräfte raubt, die der Organismus anderwärts hätte
verwenden können. Diese Sache im Grossen betrachtet, so
zeigt auch wirklich die frühere Geschichte, dass Mangel an
Kraft, anMuth und an Ausdauer, und auf der andern Seite
Sittenverderbniss gewöhnlich dann mehr bey den Völkern
einzureissen pflegten, sobald sie sich die Haare abzuschneiden
begannen. Man weiss, was L y c u r g u s auf ein langes Haarhielt.
Das Rasieren kam bey den Röme r n unter Scipio Afri-
c a nu s , also in einer Periode auf, wo schon der erste Grund
zum Verfall der römischen Alleinherrschaft gelegt wurde.
Warum wollte im Mittelalter der Geistlichkeit in beynahe
alleinigem Besitze der langen Haare und des langen Bartes bleiben?
_ Die F r a n k e n waren in Europa die ersten, welche
damals ihren Erfindungsgeist an immer neuen Formen des
Bartes übten, bis es zuletzt ein bartloser Günstling derKö-
?) Ebendaselbst.
**) De sedibus et causis morborum epistol. VIII. art. 7.
***) Nouveaux elemens de la physiologie Tom. II. p. 86. 7. ediction.