
Unterschied. Die kürzere oder längere Zeit weiss gebliebene
Haare fallen endlich a b , indem sich anfangs der Haarschaft,
nachdem er noch einige Male vegetirt hatte, von der Zwiebel
trennt, und diese letztere alsdann auch zusammensinkt und
verschwindet. —
Ich hatte öfters Gelegenheit, bey unsern alten Invaliden
solche Kahlköpfe zu untersuchen, wo ich denn immer fand,
dass das Kahlwerden vom Scheitel aus beginne, und gegen
die Stirne und Schläfe zu weiter schreite, das Hinterhaupt
aber am längsten verschone. Als ich einst ein Stück Haut
von dem Scheitel gegen die Schläfe zu durch einen senkrechten
Schnitt trennte, so zeigten sich anfangs (d. i. in der
Scheitelhaut) weder Haare noch Bälge; je mehr ich aber die
ängegebene Linie verfolgte, kamen da und dort noch einige
eingeschrumpfte Bälge in der Haut zum Vorschein, dann zeigten
sich kleinere und kürzere Haare mit noch deutlichen Bälgen,
darauf kamen grössere und längere Haare, und endlich
standen sie in voller Menge auf der silberweissen Schläfe. Ich
glaube demnach, dass in dieser Periode, nachdem die grauen
Haare ausgefallen sind, die Productionskraft im Balge erlischt,
und dieser selbst der Resorption Preis gegeben, verschwindet.
Man würde sich sehr irren, wenn man der Meinung wäre, dass
die Menge des Fettes in der Haut hierauf einen bedeutenden
Einfluss hätte; im Gegentheil habe ich gefunden, dass bey
allen den Invaliden, deren Kopfhaut ich diessfalls untersuchte
, eine mehr als gewöhnliche Menge Fett unter der kahlen
Stelle aufgehäuft war. B i chat fand bey den Kahlköpfen,
welche er untersuchte, die innere Fläche der Haut ganz glatt,
ohne eine Spur jener Verlängerungen, welche bey behaarten
Köpfen auf die oben angegebene Weise deutlich dargestellt
werden können; und er ist der Meinung, dass beym Greise,
dem die Haare abfallen, die Gefässe, die zur Haarwurzel gehen
, keine Flüssigkeit mehr zuführen. Dass aber das Ausfallen
der Haare gerade auf dem Scheitel beginnt, eine Sache, über
deren Ursache man ehedem ebenfalls stritt, hat nach meiner
Meinung seinen Grund darin, dass 1 . dieser höchste Theil des
Kopfes den äussern Einflüssen in der Regel am meisten, und
namentlich dem Druck der Kopfbedeckungen vorzugsweise
ausgesetzt ist; und 2- dass hier verhältnissmässig die wenigsten
und kleinsten Gefässe und Nerven anzutreffen sind.
Indessen gibt es doch auch Fälle, wo die bereits ergrauten
Haare neu z u leben anfangen. Nach Wi t h o f * ) erwähnt
Do n a t u s eines Patriciërs, dessen bereits durch Greisenalter
grau gewordenes Haar zuletzt von freyen Stücken wieder seine
alte gelblichgrüne (?) Farbe bekam. — S ch u ri g erzählt von
einem Greise, der Nägel, Haare und Bart verloren hatte, und
sie alle wieder wachsen sah. Dieser Greis lebte noch 24 Jahre.
— Bekanntlich lebte Hup a z o l i F r a n z in drey Jahrhunderten,
von 1587 bis 1702, also 115 Jahre lang zu Casale
in Sardinien; in seinem lOOten Jahre wurde sein graues
Haar wieder schwarz, 109 Jahre alt verlor er seine Haare;
vier Jahre darauf erhielt er wieder zwey grosse neue Zähne.
— C o n r a d i erzählt von einem 60jährigen Weibe, dass
ihr wieder neue Haare wuchsen. — Dr. S l a v e aus Beiford
soll in seinem 80sten Jahre wieder dunkelbraune Haare bekommen
, und sie bis an seinen Tod (20 Jahre nachher) behalten
haben **) In Wien bekam ein Mann in seinem 105ten
Jahre wieder schwarze Haare. — Die Haare der Engländerinn
S u s a n n e E dm o n d wurden im g5sten Jahre wieder schwarz,
und im 105ten, d. i. kurz vor ihrem Tode, wieder weiss *** *).
_ U rs in erinnert sich eines sehr alten Schweden, dessen eisgraue
Haare sich wieder schwärzten, und M e 1 z e 1 versichert,
dass er in Cleve einen 118jährigen Greis kannte, welcher noch
Zähne und Haare bekam. — In Theodosia in der Krimm lebte
im Jahre 1823 noch ein Armenier, Namens Soas Og l u ,
welcher im Jahre 1702 in Erzerum geboren wurde. Sein eisgrauer
Bart schwärzte sich von Neuem. Auch bekam er, als
er 100 Jahre alt war, zwey neue Backenzähne, und (1823) noch
einen dritten, gerade an der Stelle wo ein alter war, gerade
so, wie sie bey Kindern beym zweyten Zahnen Vorkommen*** ).
_ J o h n We k s bekam einige Jahre vor seinem Tode, der in
seinem H4ten Lebensjahre erfolgte, wieder braune; und ein
im HOten Jahre verstorbener Schotte erhielt mehrere Jahre vor
seinem Tode wieder blonde Haare ^*). Aehnliche Beyspiele fin-
*) L. c. P. 381.
'**) Dictionn. des sciences med. Tom. IY. Cas rares p. 176.
***) A. a. O. des Dict. des scienc. med.
****) Me c k e l s Archiv für Physiologie. 8. Band. 3. Heft. p. 4 3 1 , und
im YVegweiser im Gebiete der Künste und YTssenschaften Nr. 20»
März 1823 zu Nr. 58 der Abendzeitung vom Ja h re 1823.
f ) J o h n S i n c l a i r E s s a i sur la longévité.