
auf dem Boden der Haarzwiebel, den wir bey dunkeln
Haaren immer stark gefärbt finden, aus den Endigungen
der eindringenden Capillargefässe dieses Pigment ausgeschieden,
und durch die zelligen Räume der Marksubstanz
des Haarschaftes gleichartig vertheilt werde. Ich hege
starken Zweifel, dass diese färbende Substanz, wie sie in
diesen Zellen sich findet, immer flüssig, d. h. tropfbar
flüssig sey, und zwar aus dem Grunde, weil es mir nie
gelang, im Haarschafte eine Flüssigkeit darzustellen: und
ich kam schon längst auf den Gedanken, dass sie vielleicht
gasartiger Natur sey. Wäre diess, dann hätten die
G a le n ’schen Vapores fuliginosi wohl eine tiefere Bedeutung,
als man bisher vermuthete. Dieser Ansicht scheint
jedoch der schon oben angeführte merkwürdige Umstand
zu widersprechen, dass man häufig mitten in der Marksubstanz
des Haars nach einer Richtung gelagerte, bald grössere,
bald kleine, mehr oder weniger undurchsichtige Flecken
und Streifen findet, die man für Reste einer gestockten
Flüssigkeit zu halten versucht wird. Wie aber, wenn
man diese Streifen für Niederschläge aus der dunstförmigen
färbenden Substanz halten möchte? Gegen die tropfbare
Flüssigkeit spricht auch noch folgender Umstand:
Wo immer im menschlichen Organismus eine tropfbare
Flüssigkeit aus dem Blute secernirt wird, ist auch eine
entsprechende Gefässvorrichtung d a , durch welche eine
angemessene Resorption vermittelt wird. Wer zeigt mir
aber eine solche bey den Haaren? Ma s c a g n i wird man
sagen, allein ihm ist das ganze Haar, so wie alle jene
Theile, welche keine Blutgefässe und Nerven besitzen,
ganz aus Lymphgefässen zusammengesetzt *); eine offenbar
sehr übertriebene Behauptung. So aber könnte man
annehmen, dass sich dieser färbende Dunst durch die Poren
des Haars mit der Aussenwelt in Verbindung setze,
durch die Einwirkung der atmosphärischen Luft mehr oder
weniger coagulire, tropfbar werde, und so dasPigment abgebe,
dessen Daseyn einige dadurch beweisen wollten, dass
sie die Wäsche davon beschmutzt angaben. Noch andere
glaubten, dass sich dieses Pigment gleich der Materie der
*) Prodromo della grande Anatomia del celebre P a o l o M a s c a g n i .
1. Cap.
unmerklichen Ausdünstung mit der umgebenden Luft vermischt.
Doch diess sind lauter Vermuthungen, über deren
Werth erst gediegenere Erfahrungen entscheiden müssen.
I5s erübrigt jetzt noch, erwas Weniges über das Blei che
n der Haare im Alter zu sagen. — Bey den Alten waren
darüber ebenfalls wieder verschiedene Meinungen im Umlauf.
H i p p o c r a t e s leitete das Ergrauen der Haare von den
weissern Säften, welche diese aus der Haut an sich ziehen.
Ar i s t o t e l e s dringt wie überall, wo es auf naturhistorische
und anatomische Kenntnisse ankommt, schon tiefer ein. Er
gab zuerst an, dass die Spitze des Haars zuerst bleich wird,
unterlegt jedoch diesem Erfahrungssatze einen ganz unstatthaften
Grund, indem er sagt, weil dieser Theil am heisse-
sten und dünnsten ist *). Ferner heisst es bey ihm: „Das
Pferd ausgenommen, findet man das Grauwerden weit seltner
bey den Thieren als beym Menschen. Ein stets bedecktes
Haar wird leichter grau, als wenn es den Veränderungen der
Atmosphäre ausgesetzt wird. Unter allen Thieren wird der
Mensch allein am vordem Theil des Hauptes kahl, weil dieser
das Hirn enthält. Die Schläfenhaare bleichen zuerst, die
Schamhaare zuletzt, et omnium lentissime palpebrae **).“ Er
nennt den Ka h l k o p f c»is, atl den Augbraunen aber
uvx(fx\Kvriocifii;. Auch nimmt er das Austrocknen der Haare
nicht für den hinreichenden Grund des Grauwerdens an, weil
die Haare manchmal plötzlich und durchaus weiss werden,
und doch nichts auf einmal austrocknet. Er hält das Bleichen
vielmehr für eine Fäulung — eine Art von Schimmel und
sucht diess durch die Thatsache zu unterstützen, dass die Luft
die Haare länger schwarz erhält ***).
Galen äussert sich über das Bleichen der Haare so: »Qui-
bus aulem ad summam siccitatem cutis capitis non pervenit, imbe-
cilli his omnino, albique pili fiunt, quos vulgo canos appellant j im-
becilli nempe convenientis alimenti penuria; albi vero proptereci
quia alimentum veluli silus est pituitae, quae spatio computruit.u
Das frühere Ausfallen der Scheitel - und das Ergrauen der
Schläfenhaare erklärter so: »Jam calvi fiunt homines, cum se~
*
*) A r i s t o t . 5. gen. an. 5.
**) Hist. 3. c. 14.
***) Hist, lib, 3. cap. 11.
Eble’s Lehre von d, Haaren II. Bd, 10