
bey den Abfluss der Feuchtigkeiten von der Oberfläche des
Auges nach Aussen nicht zu erschweren, sondern vielmehr zu
erleichtern. Wären die Cilien gerade, so würden sie durch
ihren Schatten das Sehen beeinträchtigen, und stünden, sie
weiter von einander ab, so öffneten sie die Augen zu sehr;
stünden sie dichter neben einander, so würden sie abermals
das Auge zu sehr beschatten. Ueberhaupt spricht sowohl der
Ort, die Stellung und Richtung, als auch der unverkennbare
Einfluss dieser Haare sehr dafür, dass di e Ci l i e n dem
Aug e das sind, was die Kn e b e l - u n d S c h n a u z h ä r te,
Ba r t f ä d e n u. dgl., m it einem Wo r t e d i e s o g e n
a n n t e n T a s t h a a r e dem Mun d e der Th i e r e sind.
Ich halte sie in der That fü r d ie Re p r ä s e n t a n t e n des
Ta s t s i n n s im Gesicht s s inn.
Co l umbu s hatte die Idee, dass sie auch bestimmt wären,
das Gesicht zu leiten. Derselben Meinung waren schon
früher Ar i s t o t e l e s , Gal e n , L a u r e n t i u s und T a r d i-
nus, und schienen durch die Beobachtung an Thieren darauf
geleitet worden zu seyn , welche nach dem Verluste dieser
Haare nicht lange mehr und nicht gerade sehen. Auch sollen
nach Gal en diejenigen, welche wie immer ihre Cilien verloren
haben, die entfernten Gegenstände viel schwerer unterscheiden.
—- Es wäre gewiss sehr interessant, über diesen
Punct die Erfahrungen practischer Augenärzte bekannt zu machen.
Wahrscheinlich lässt sich jene alte Meinung darauf zurückführen,
dass beym Mangel der Cilien das Licht zu grell
auf das Auge wirkt, und so das Sehen beeinträchtigt wird.
Bey Kurzsichtigen ist es eine bekannte Sache, dass sie entferntere
Gegenstände deutlicher sehen, wenn sie die Augenlieder
beynahe schliessen, und so nur wenig Lichtstrahlen einfallen
lassen, wie ich diess aus eigener Erfahrung kenne.
Offenbar zielt auch der Nutzen der Nasen - und Ohr
e n h a a r e (im äussern Gehörgang) auf Abhaltung desStaubs,
überhaupt beleidigender fremder Körper, und namentlich der
Insecten ab.
Was die Augenbraunen dem Auge sind, das kann dem
Munde der S c h n a u z b a r t seyn, nur mit dem Unterschied,
dass hier noch eine ergiebige Quelle von einem dem Munde
eben nicht zusagenden Auswurfsstoff, der Nas e n s c h l e im ,
zu berechnen kommt. Darüber können uns die schnauzbärtigen
Tabackschnupfer die beste Auskunft geben, deren Knebeibart
aber auch bey nur geringer Unsauberkeit eine wahre
Kl oacke zu nennen ist.
Was aber die besondere phys i o log is ch e Bed e u t u n g
des e i g e n t l i c h e n Bar tes betrifft, insofern dieselbe nicht
schon in den oben angeführten allgemeinen Functionen begriffen
ist5 so scheint die Natur, indem sie den Mann mit
einem Barte zierte, den sie dem Weibe versagte, zunächst
den Zweck gehabt zu haben, jenen eben dadurch noch schärfer
von letzterem zu trennen, als es durch die übrigen bekannten
Eigenheiten geschehen konnte; vorzüglich aber diesem
auffallenden Unterschied, den sie mit dem einen oder andern
Geschlechte verband, eben durch den Bart eine sogleich
in die Augen fällende Offenkundigkeit zu geben. Desswegen
hat sie ihn an einen Ort verlegt, wo er sogleich bemerkt
werden musste, während die übrigen Merkmahle der Geschlechtsverschiedenheit
theils an und für sich mehr verborgen,
theils durch das. dem einigermassen gesitteten Menschen
innewohnende Schamgefühl bedeckt gehalten werden. Dass
diess der Hauptzweck des Bartes seyn möge, wird um so wahrscheinlicher,
wenn wir den Umstand berücksichtigen, dass der
Bart gerade zu jener Periode seine Entwickelung beginnt, in
welcher sich überhaupt die beyden Geschlechter im eigentlichen
Sinne, und zwar in physischer und geistiger Hinsicht
gleichsam wie durch Instinkt getrieben, von einander trennen;
ich meine die Zeit der Pubertät. Dadurch lässt sich dann auch
die gleichzeitige Entwickelung der Scham- und Achselhaare,
und überhaupt der innige Zusammenhang erklären, in welchem
das Hervorbrechen und Wachsthum des Barles mit der
vorschreitenden Entwicklung der Mannbarkeit , Ö steht,7 und man
lernt einsehen, dass es keine leere Hypothese sey, wenn' man
den Ba rt als das ent sche id ends teZei che n d erMann-
barkei t . in physischer Hinsicht ansieht. Dass man nicht selten
auch auf Ausnahmen stossen wird, kann hier so wenig, als in
einer jeden andern Sache befremden. Auch wird diese Ansicht
durch die Beobachtung stark unterstützt, dass die Weiber
um so mehr sich zum männlichen Charakter hinneigen,
je deutlicher ceteris paribas die Spuren des Bartes sich an ihnen
zeigen, wie man diess bey den sogenannten Ma nnwe i b
e r n (Firagines) auffallend sieht. Endlich pflegt gerade dann,
wenn das Weib seinen ganzen physischen Geschlechtscharakter
abzulegen anfängt, d. i. zurZeit, wo der monatliche Blutabgang
Eble s Lehre von <1, Haaren II. Bd, i ö