
stärksten behaart *), und man wird selten auf Ausnahmen stos-
sen. Desto grösser sind die Verschiedenheiten an andern Gegenden
des Körpers. Wer ist im Stande, die mancherley Bärte
zu beschreiben, deren Unterschied doch wohl hauptsächlich
von der Menge der Haare abhängt? Wir leben gerade in einer
Zeit, wo man in Europa hierüber die besten Beobachtungen
machen kann. Man darf sich nur die Mühe nehmen,
in einer sehr volkreichen Hauptstadt einen Spaziergang an
den besuchten Orten in der Absicht zu machen, um sich von
den vielen Varietäten der Backen-, Schnauz - und anderer
Bärte zu überzeugen. Kaum haben wir z. B. den ganz geschlossenen,
und bis auf die Unterlippe herabreichenden
Schnurrbart eines echten Russen oder eines tüchtigen Hussa-
ren betrachtet, so nimmt der abschreckende Backenbart eines
modernen Stützers, der das schüchterne Gesicht des
städtischen Schwächlings bald ganz zu bedecken droht, unsre
Aufmerksamkeit auf sich; und haben wir uns von diesem
weggewendet, so begegnet unserm Blicke ein blühend schöner
, aber leider zu wreiblioher Mann; denn sein ganzes Gesicht
ist so glatt und weiss, dass man die Haare mit dem
Vergrösserungsglas suchen muss. Zwischen diesen Extremen
stehen eben so viele Mittelglieder, als es Individuen gibt.
Sehr selten fand ich den mittelsten Xheil der Oberlippe wenig
oder gar nicht behaart bey gleichzeitig bestehendem
wohlausgebildetem Knebelbart. Nicht geringer sind die Verschiedenheiten
der Menschen in Bezug auf die Menge der
Haare auf der Brust, Scham, und den Extremitäten; denn
der eine gleicht auf der Brust einem Bären, der andere ist
daselbst glatt, wie der Busen des Weibes. — Merkwürdig
ist es jedoch, dass man zwar beym männlichen Geschlechte
wie in allen Sachen, so auch in Bezug auf die Menge der
Schamhaare mancherley Abarten, dagegen nie jene auffallende
Leere und Haarlosigkeit findet, die uns Europäer bey manchen
Frauen so widerlich und unnatürlich anspricht; obgleich
es auf der andern Seite wieder Beyspiele von Weibern in Menge
gibt, deren Scham dem untersuchenden Arzte so unzugängig
ist, dass er sich mit der Scheere Platz machen muss. Nicht an-
) B u s b e q u i u s sah anf seiner Reise nach Constantinopel einen
Mann, der einen so reich b ehaartin Kopf h a u e , , u t s e l o p e t i
J c t u m c a p i l e s u o e l u d e r e t . «
ders verhält es sich auch an den Extremitäten; denn während
der eine wie Esau behaart ist, findet man bey dem andern
kaum eine Spur von Haaren u. s. wr. — Im Allgemeinen sind
die meisten Haare an jenen Theilen, welche die Organe des
sensiblen Lebens einschliessen; also beym Menschen auf dem
Haupte, und bey den Thieren zugleich auch noch auf dem
Rückgrath. Eine mässige Menge Fett ist dem Haare sehr gedeihlich.
Ferner pflegen die Haare auch vorzüglich da zu
wachsen, wo die Hautausdünstung stärker als an andern Orten
ist; und endlich ist es eine besondere Eigenheit, dass alle sogenannten
Atria corporis auf eine ausgezeichnete Weise mit
Haaren versehen und beschützt sind. —
Von der Menge, Dicke und Länge hängt das Gewi c h t
der Haare ab. Nach Jahn gehört es unter die Seltenheiten,
wenn die Haupthaare zusammengenommen mehr als 24 Lotli
wiegen, obgleich er zwey Beyspiele von 28, und sogar eines
von 33 Loth erhalten haben will. Absolons Haar wog nach der
obigen Angabe 200 Unzen, wenn es nach Jahresfrist abgeschnitten
wurde!! —
§. 118.
F a r b e der Haare.
Die Farbe der Haare ist sehr verschieden, von dem glänzendsten
Silberweiss bis in das völlig sogenannte Rabenschwarze.
Die Hauptabänderungen der normalen Haarfarbe sind: weiss,
blond, roth, b r a u n und s chwarz, wovon jedoch jede
wieder ihre Abstufungen hat, z. B. weisslicli, weisslichgelb,
flachsgelb, röthlichgelb, braungelb, hellbraun, schwarzbraun
und schwarz. Andere, z. B. Samue l G. Vo g e l nehmen
vier Hauptfarben an: roth, weiss, braun und schwarz; noch
andere nur drey : schwarz, blond und roth. Gl isson*) nimmt
alsMittelfarben zwischen weiss und schwarz nur drey an: gelb,
roth und blau; wogegen Tardinus**) vier derselben, bleich,
braun, gelb und roth aufzählte. Ersterer sagt ferner, dass die
von Natur weissen Haare keineswegs schneeweiss, ja nicht einmal
durchscheinend seyen, sondern stets etwas in das Braune,
*) A. *. O.
De pilis c. 31*