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und das Vermögen zu empfangen aufhört, das Hervorbrechen
von Barthaaren in die Erscheinung zu treten, und die Frau
dann zum natürlichen Ma n nwe i b zu stempeln. Etwas
Aehnliches beobachtet man, obwohl im verminderten IVJass-
stabe, bey an und für sich unfruchtbaren, und solchen Frauen,
bey welchen die Begattung fehlt, und die Menstruation abnimmt,
z. B. bey jungen Witwen. — Uebrigens kann auch den
Bart-, so wie allen übrigen Haaren das Ableilen von Flüssigkeiten
als Nebenzweck angerechnet werden.
Ueber die Bestimmung der Ac h s e l h a a r e weiss ich
wenig Erhebliches zu sagen. Gewöhnlich wird sie so angegeben
, dass diese Haare die Reibung der Haut mindern,
und die Verflüchtigung des hier in Menge entstehenden
Schweisses beschleunigen sollen* *). F a b r i c i u s ab Aqua-
p e n d e n t e sagt, dass sie den Schweiss aufsaugen, damit er
die Haut nicht verderbe. Das Wahre an der Sache ist, dass
wir den eigentlichen Zweck dieser Haare eben so wenig als
des hier sowohl durch seine Menge als seinen specifischen
Geruch ausgezeichneten Schweisses hinreichend kennen. Uebrigens
darf bey genauer Würdigung dieser Haare nicht vergessen
werden, dass ihre Entwickelung ebenfalls mit der Pubertät,
und zwar in beyden Geschlechtern, in genauem Zusammenhänge
stehe.
Von den S c h amh a a r e n sagt derselbe Fab r i c i u s :
dass sie ungefähr dasselbe leisten, was die Achselhaare, doch
aber auch noch dazu dienen, um den bey ehelichen Umarmungen
unvermeidlichen Druck nach Art eines Polsters in
etwas zu mindern. Bl a n c a r d **) gibt an, dass die Schamhaare
die innern und aussern Theile vor aller Kälte und Ungemach
bewahren, und die Verletzung der Haut der Scham
durch die Zusammenreibung der weiblichen und männlichen
Geschlechtstheile beym Beyschlafe hindern. Dass aber dieses
letztere nicht die Hauptbestimmung der Schamhaare sey, zeigt
theils ihre oft mangelhafte und sehr dürftige Anzahl, theils
die Gewohnheit mancher Nationen, sich diese Haare heraus-
*) J a h n a. a. O. 2. T hl, p. IK
*r) Reformirte Anatomie. Aus dem Holländischen und Lateinischen ins
Hochdeutsche übersetzt von T o b i a s P l e u c e r . Leipzig 1691.
p. 815.
zureissen. Es ist mir demnach wahrscheinlich, dass der Zweck
dieser Haare zusammengesetzt sey, und zwar
1) in Absonderung einer eigenthümlichen Flüssigkeit unter
der Form der unmerklichen Ausdünstung,
2) in Ableitung des vom Bauche herabfliessenden Schweisses
und anderer Körper,
3) in Verhinderung einer zu starken Reibung der beyder-
seitigen Schamtheile beym Beyschlafe,
4) in Bezeichnung der erlangten Geschlechtsreife *), und
endlich
5) in einem eigenthümlichen, bisher noch zu wenig gewürdigten
Einfluss auf den beym Beyschlaf wirkenden elec-
trischen Process zwischen den beyden sich polarisch entgegenstehenden
Individuen bestehe.
Sollten die so stark angehäuften Schamhaare nicht besonders
dazu dienen, das electrische Fluidum zurückzuhalten,
oder vielleicht durch gegenseitige Reibung höher zu po-
tenziren, und von dem vorwaltenden Pol bey fortgesetztem
Conflict auf den passiven überzuleiten? Wenigstens spricht
für den angegebenen Einfluss der Schamhaare auf das Geschäft
der Zeugung die Thatsache, dass beym Menschen
die Dichtigkeit und Krause der Schamhaare meist in geradem
Verhältniss zur Stärke der Zeugungskraft stehe, und
dass die geilsten Personen meistentheils auch in dieser Gegend
sehr behaart sind. Interessant wäre es nun, zu erfahren, ob
bey übrigens gleichen Verhältnissen die stärker behaarten Weiber
auch fruchtbarer als die andern sind? — Wenn es endlich
wahr ist, was auch Jahn bezeugt, dass keine Frau, welche
haarlos an der Scham ist, schwanger werde; so könnte man
wenigstens den genauen Zusammenhang zwischen dem Erscheinen
dieser Haare und den Geschlechtsfunctionen nicht mehr
läugnen. Da jedoch an der Scham ganz haarlose Frauen wohl
unter die grösste Seltenheit gehören, so dürften diejenigen,
die über diesen Gegenstand Erfahrungen zu machen Gelegenheit
haben, sich an das plus oder minus, namentlich aber an
eine auffallende Seltenheit und dürftige Entwicklung der
Schamhaare halten.
*) Desshalb lies der Kaiser J u s t i n ! a n u s die Scham aller Mädchen in
Bezug auf A b - oder Anwesenheit'der Haare u n te rsu ch en , ehe si#
zum Heirathen für tüchtig erkannt werden konnten.
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