
menen Gegenstand bey der Natur selbst, d. i. durch emsige
und genaue Untersuchungen Raths zu erholen. Ich meinerseits
bin überzeugt, dass alle jene Schichten, Fäden, Fasern,
Röhren und Flüssigkeiten, mit denen uns die überspannte
Phantasie, oder das leichtgläubige, vielleicht auch durch optische
Täuschungen irre geführte Auge der genannten Aerzte
und Naturforscher, unter denen L e uwe n h o e k , L e d e r mü
l l e r , Rowl a n d , W i t h o f u n d C h i r a c , vor allen
aber der Haararzt D r. J a h n oben an stehen, wenn auch
nicht geradezu in das Reich der Fabeln, doch zu jenen Behauptungen
gehören, von denen man Niemand zu überzeugen
im Stande ist. Denn ich läugne keineswegs die Möglichkeit,
ja nicht einmal die Wahrscheinlichkeit, dass die Zwiebel des
menschlichen Haares sammt ihrem Balge in Bezug auf die innere
Textur im Ganzen wohl mit den Tasthaaren der Thiere
Analogie besitzen mögen; nie aber kann ich zugeben, dass
sie einander vollkommen gleich sind. Diess müsste aber seyn,
wenn die Angaben der obigen Männer richtig wären, also muss
ich diese für falsch halten; und zwar um so mehr, je weniger
sie sich in der Erfahrung nachweisen, durch unsre Sinne nicht
darstellen, und sonach auch nicht unumstösslich behaupten
lassen.
Mit gültigerer Freymüthigkeit haben die meisten Anatomen
und Naturforscher nicht den mindesten Anstand genommen,
derKapsel oder dem Haarba l ge Gefässe und Nerven zuzuschreiben.
Nach Maye r schlingt sich ein Netz von Blutgefässen
undNerven um die ganze Zwiebel herum. Le d erm ü l ler
will solche in die häutige Wandung der Zwiebel eingehen
gesehen haben. Auch soll man nach Win s l ow’s und Le-
d e rmü l l e r ’s Beobachtungen einenNervenfaden an der äussern
Fläche der Zwiebelwand bemerken. Aber H i l den b r a nd t
spricht den Haaren sowohl Blutgefässe als Nerven gänzlich
a b , indem nach seiner Meinung auch die wohlgerathenste Einspritzung
der Haut keine Blutgefässe in den Haaren gezeigt
hat. Er erklärt sich die Erscheinung der mit Blut gefüllten
Haare im Weichselzopfe dadurch, dass er annimmt: dieses
Blut sey aus den die Wurzel umgebenden Gefässen in diese
eingetreten, und in der Höhle des Haars fortgedrungen. Der
Schmerz, den man beym Ausreissen der Haare fühlt, wird
seiner Meinung zufolge nicht im Haare selbst, sondern in den
Nervenfädchen der flaut, welche des Haares Wurzel umgeben,
und hierbey gespannt werden, empfunden. W i n s 1 o w,
Kaauw, Wi t ho f, Boer ha av e und Ludwi g haben aber
geglaubt, dass in die Haarzwiebel Gefässe und Nerven hineingingen.
Dagegen sprechen Ma y e r und Me c k e l den Haaren
ebenfalls alle Nerven ab. Gefässe will letzterer höchstens, und
auch diess nur selten an ihrem untern angeschwollenen Ende —
der Zwiebel — bemerken, die mit einer oder mehreren Oeffnun-
gen versehen ist, wodurch sowohl Gefässe, als auch höchst
wahrscheinlich feine Nervenzweige in sie eintreten. Doch erstrecken
sich selbe seiner Meinung zufolge nur in die Zwiebel.
_ Nach Ros enmü l l er *) treten in den Haarbalg wahrscheinlich
Gefässe und Nerven , zum Haarcylinder selbst aber
nicht. B i c h a t sah wohl Verlängerungen nach der äussern
Oberfläche des cylindrischen Sackes, besonders an dem von
der Haut abgewandten Ende sich begeben; indessen lehrte
ihm das Scalpell nichts Näheres über die Natur dieser Verlängerungen.
Er wenigstens konnte sie nie bis in benachbarte
Nerven oder Gefässe verfolgen, vermuthet jedoch, dass sie
Gefässe sind. Ri chard endlich lässt den Haarzwiebeln ebenfalls
Gefässe und Nerven zukommen, indem er sagt: die Nerven
bilden grösstentheils an ihrer äussern Fläche die Verlängerungen
, und vorzüglich an ihrem der Haut entgegengesetzten
Ende, und geben ihm eine Art von Stiel. Verschiedene
Anatomen verfolgten diese Nerven bey Thieren, aber man
sieht auch beym Menschen in die Zwiebeln der Augenwimper,
und der Haare in den Nasenlöchern Nervenfaden gehen. Die
Gefässe liegen nach ihm ebenfalls in der Substanz der Verlängerungen,
die am Grunde der Zwiebeln sitzen. Ga u l t i e r
sah sie aber von dem obern Ende eindringen, indem sie von
der Dermis der Haut kamen, und zwischen dem Blättchen der
Dermis, der Zwiebel und dem Schleimblättchen lagen. —
Vi l le rme**) glaubt, dass die Nervenfäden nicht darzustellen
sind. Endlich stellen die berühmten anatomischen Tabellen
von Ma s c a g n i ***) die Zwiebel eines Haars von einem
menschlichen Fötus mit einem feinen Netz von lymphatischen
und Blutgefässen umgeben dar.
*) Handbuch der Anatomie 4te Auflage pag. 38.
■**) Dictionn. des Sciences med. a rt. Poils.
***) Opera posthuma publioata da Franc. Antomarchi. F irenze 1818
tab. 1 . 2.
Eble s Lehre von d. Haaren II, Bd.