
zur Reinigung desjenigen Saftes — sey er nun arteriös oder
lymphatisch — dienen, der die Bewegung der Muskeln unterhält,
und, indem sie so viel zur Stärke dieser Muskeln bey-
tragen. Diese letzte sonderbare Ansicht sucht er durch die
Beobachtung zu unterstützen, dass man beym Fötus von einigen
Monaten schon Haupthaare sieht (die nach seiner Meinung
da sind, um den Saft für die Stirn-, Hinterhaupts- und Schläfenmuskeln
zu reinigen). — Ha l l e r glaubt, dass die Haare
an ihrer Spitze, und vielleicht selbst an ihrer ganzen Oberfläche
ausschwitzen.
Nach F o u r c r o y besteht der Nutzen der Haare in einer
Absetzung des Ueberllusses an Phosphorsäure. Und in dieser
Voraussetzung behauptet er und Va uquel in, dass die Haare
bey mehreren Thieren das Ausleerungsgeschäft der Harnwerkzeuge
übernehmen. Spätere französische Physiologen, besonders
Vi l l e rmd , schienen geneigt, die Haare als Organe für die unmerkliche
Ausdünstung, und so anzusehen, als wenn sie auch
die Nieren-Secretion suppliren könnten *). — Ich weiss nicht,
was daran Wahres ist, dass die sehr haarigen Menschen ver-
hältnissmässig weniger als andere uriniren sollen. Wäre diess,
so stünde vielleicht auch das Erbleichen der Haare im Alter
mit dem wenigen Harn, welchen die Greise lassen, in so fern
im Zusammenhang, als die bleichen Haare noch stark wachsen,
was vielleicht von der allgemeinen Neigung zur Verknöcherung,
und von der trägen Wirkung der Nieren herrührt,
welche die erdigen Salze ausführen sollten.
Heu s i n g e r hingegen glaubt, dass diejenigen Haare,
welche beym Berühren fortwährend abfärben, an der Spitze
Oeffnungen haben, so wie er es am Stachelschwein, an den
weissen Haaren des Moschusbeutels, und unter der Blume der
Hirschkuh gesehen haben will. Auch gibt er an, dass die
Damen in südlichen Gegenden, welche schwarze Haare haben,
sich desshalb so sehr über diese beklagen, weil sie allen
Kopfputz färben. — S c h l e g e l **) ist überhaupt der Mei-
nung, dass die Haare bis auf einen gewissen Grad die Haut
ersetzen, und dass ihnen daher auch so zu sagen, dieselben
Verrichtungen zukommen. Ihre Zwiebel secerniren nebst der
Materie, aus welcher das Haar entsteht, noch eine eigene Flüs-
*) Dict. des scienc. med. art, P o i l s .
+#) Ueber die Ursachen des W e i c h s e lz o p f s etc.
sigkeit, welche sich in die Höhle ergiesst, und von da nach
und nach ausgehaucht wird.
Endlich gibt es selbst viele krankhafte Phänomene, welche
von den Autoren benutzt werden, um dieExcretion durch
die Haare zu beweisen. Unter diese gehören vorzüglich jene,
in welchen das Haarabschneiden als Heilmittel angerathen
wird, und auf die ich später zurückkommen muss; ferner jene,
in welchen die zu excernirende Materie in quantitate et
qualitate verändert, in ersterer Beziehung oft besonders vermehrt
ist, wie z. B. im Weichselzopf. So kannte Herr Prof.
Dr. J. Rud. Bi s c h o f f e i n lpjähriges Mädchen, welches an
Nymphomanie litt, und die das besondere Sympton an sich
hatte, dass ihre Haare während des Anfalls, der alle 10_12
Tage zu erfolgen, und dann mehrere Tage anzuhalten pflegte
, ganz auffallend rauh, struppicht, glanzlos und trocken
wurden, und nach geendigtem Anfalle ihre vorige Geschmeidigkeit
wieder erlangten.
Von den Th i e r h a a r e n sagt man auch, dass sie besonders
an jenen Stellen, wo die Haut am feinsten, der Luft am
wenigsten ausgesetzt und mit langen Haaren versehen ist, eine
eigene Ausdünstung unterhalten; so z. B. auf dem gelben
Fleck des Didelphis marsupialis Linn. — Auch schwitzt bey
blonden Menschen mit röthlichen Haaren bey heisser Witterung
unter den Achseln ein klebrichtes, röthliches Pigment
aus: und so will man auch behaupten, dass die rothen Haare
einen eigenthümlichen unangenehmen Geruch hätten, der die
rothhaarigen Schönen zu einem grossen Aufwand von wohlriechenden
Salben und Wassern nöthigte *).
Endlich gehören hieher die so auffallenden Phänomene
des We i c h s e l z op f e s , dessen Wesen die besten Autoren in
einem entzündungsartigen (überreitzten) Zustand der Haarwurzeln
und der exhalirenden Gefässmündungen setzen; wodurch
sodann auch ihre Secretion vermehrt wird, und sie selbst ungeheuer
wachsen. — J o u r d a n **.) steht sogar keinen Augenblick
an, auch die Materie, welche beym Kop fgr ind und dem
Mi l c h s c h o r f ausgeschieden wird, nicht, wie gewöhnlich geschieht,
als Product der Haut, sondern vielmehr als das der dabey
*) Siehe Jo u rn a l des Luxus und der Moden 1789- März p. 109.
r) Dict. des scienc. med, tom. 43. p. 275.