
auf die Eigenheiten dieses Temperamentes gegründet
seyn.
10) Endlich muss ich noch der natürlichen Aneinanderreihung
der Haare, oder des sogenannten Wur f e s , Fal les
derselben in physiognomischer Hinsicht erwähnen. Man
hat nämlich auch aus der Verschiedenheit dieser Verhältnisse
auf eigene Geistesgaben und Charaktere geschlossen;
allein ich muss wohl gestehen, dass man auch hier wieder
zu weit gegangen ist. Doch fand ich im Allgemeinen bestätiget,
dass Menschen, deren Haare, wie man zu sagen
pflegt, zu Berge standen, oder überhaupt eine dem gewöhnlichen
Falle entgegengesetzte Richtung, sey es nun
ganz allein von der Natur, oder mit Beyhülfe der Kunst,
hatten, immer auch eines feurigen, aufbrausenden Temperaments
und Charakters waren; während sich die langen
, schlichten, gerade herabhängenden und anliegenden
Haare meist zu gutmüthigen phlegmatischen Menschen gesellen.
Der natürliche Wurf der Haare kommt von ihrem
Verhältniss zu der Form der unterliegenden Muskeln und
Knochen h e r; der künstliche ist ein Kind der Mode. Es
wäre wohl der Mühe werth, ausgezeichnete Köpfe aller
Nationen, vorzüglich aber der Europäer in Bezug auf den
Haarwurf mit den geistigen Eigenschaften ihrer Besitzer
zu vergleichen. Die Mode verdirbt uns auch diese Untersuchung
in grossen Städten, und man müsste sich hierin
mehr an das Landvolk halten, wenn man einen entscheidenden
Ausspruch wagen wollte.
A nme r k u n g . Ich bemerke noch e inm a l, dass der Schluss von der
Beschaffenheit der Haare auf jene des Körpers und des Geistes an
un d für sich ein sehr gewagter sey; und dass die so eben aufgestellten
Sätze, da sie n u r a p o t i o r i genommen sind, eine Menge
Ausnahmen zulassen, wie ein Jeder leicht einsehen wird, der den
mächtigen Einfluss der individuellen Verhältnisse auf die Gestaltung
des ganzen Menschen zu würdigen weiss. Der Psycholog und
Pädagog sey daher sehr vorsichtig, wenn es sich darum handeln
sollte, einen Menschen nach seinen Haaren zu beurtheilen und zu
schätzen, oder gar von ih n en auf diese und jene besondere E igenheit
zu schliessen ; denn die Kenntniss eines jeden einzelnen
Menschen ist n u r die E ru ch t eines gründlichen Studiums , und
einer gewissen praktischen Fertigke it ^ die einzelnen E rscheinungen
, durch die der Mensch sein Innres an den Tag le g t, aufzu~
fassen, und rich tig zu beurtheilen.
§• 142.
Nachträgliche Bemerkungen.
a) So wie man oft ein auffallendes Ueberwiegen der einen
und namentlich der rechten über die linke Seite des ganzen
Körpers bemerkt, (dessen Grundursache man erst neulich
in dem Druck gesucht hat, welchem die linke Seite des Fötus
vom 4 — 9ten Monat im Mutterleibe fortwährend ausgesetzt
ist) *), so fand ich diess einigemal auch durch einen
stärk er n Ha a rwu c h s der r e c h t e n Sei te bekräftiget.
b) Vielfach ist die Frage erörtert worden: warum die Weib
e r we n i g e r b e h a a r t sind, als die Männe r . Die
Antworten tragen natürlich jederzeit das Gepräge der herrschenden
Ansicht über die Bildung der Haare überhaupt an
sich. So sagt Hi pp o c r a t e s **) : „Midieres autem mento ut
toto corpore glabres sunt, quod ipsis in actu venereo non perinde
agitatus humor, ac viris summam cuticulam rararn ejficere ne-
queat.u Gal e n u s dagegen erklärt diess mehr daraus, weil
die Haare theils zur Bedeckung, theils zur Zierde dienten,
das Weib hingegen der erstem nicht so sehr bedurfte, weil
es ohnehin mehr zu Hause bleibt; in Bezug auf die Zierde
schreibt er ihm keine so verehrungswürdigen Sitten (mores)
zu, und desshalb war es auch nicht nöthig, ihm ein verehrungswürdiges
Aeusseres (durch die Haare) zu geben. — F a-
b r i z i u s ab Aq u a p e n d e n t e leitet die geringere Menge
der Haare beym Weibe von der grossen Weichheit der Textur,
dem Vorwalten der Säfte, und der sitzenden, abgeschiedenen
Lebensart her. — Ich stimme der Ansicht von W ede-
meyer bey, nach welcher das Weib desshalb weniger behaart
ist, weil durch die Menstrua ihrem Körper eine Menge
Kohlenstoff und Pigment, also Theile, aus welchen sich auch
die Haare bilden, entzogen werden. Desswegen findet man
vor der Pubertät, also vor dem Erscheinen der Regeln,
beyde Geschlechter gleich stark behaart, und aus ähnlichen
*) Ac h i l l e s Comte, Anat. physiol. Abhandlung über das Vorherrschen
des rechten Arms im Verhältniss zum linken. Vorgelesen in der
Akademie der Wissenschaften zu Paris am 25» Feb. 1828. — Siehe
F r o r i e p’s Notizen XX. Bd. April 1828. Nr. 17.
**) De natura pueri. p. 240.
Eble s Lehre von d. Haaren I I, Bd. 14