
partibus deckt creator. — Ja er nahm sogar die heilige Schrift
zur Unterstützung seiner Hypothese zu Hülfe, indem er durch
die Geschichte J a c ob s (Genes. 30) , nach welcher die Einbildungskraft
Form und Farbe der Haare verändern kann,
ebenfalls die Entstehung der Haare auf diese Art zu beweisen
suchte. Nichts desto weniger musste er dieser seiner haarmachenden
Kraft eine eigene Materia pilorum unterlegen, und
diese fand er im Blute, aber nur in dem unedelsten des Körpers,
da die Natur als guteWirthinn den edlenTheil desselben
auch nur für edlere Theile des Körpers verwendet. Er hielt
diese Materie im Blute für fettig, ölig und gleichsam schwef-
licht, und für besonders verwandt mit dem Samen. Ohne jedoch
diese Verwandtschaft näher nachzuweisen, nimmt er keinen
Anstand, daraus zu erklären, warum wollüstige Menschen
haariger als jene sind, die zur Venus nichts taugen5 ferner,
warum die Eunuchen und Verzärtelten ohne Bart sind, und jene,
die häufig der Liebe fröhnen, so leicht, Eunuchen aber
nie kahl werden. — Auch S p i g e l i u s *) lässt die Haare aus
dem Blute entstehen, wenn er sagt: „Nascuntur non quidem,
ut aliis placuisse video, ex Juliginosis cerebri excrementis, sed ex
sanguine potius attracto per radicem pili in reliquum Iruncum.“
Der gelehrte Bau hin**) nimmt mit vielen seiner Vorgänger
an, dass die Ernährung der Haare aus dem Hi rne entstehe,
und dass das Hirn, welches feucht und kalt ist, eine
grosse Menge Nahrungssaft hergebe. — Schon Hi p p o c r a -
t es ***) gab an , dass der Hirnschädel die aus dem Körper
aufsteigenden Dünste wie einejRetorte (Cucurbitula), oder wie
ein Älembicum anziehe, und sie dann durch die Nähte durchlasse,
wo sie zur Erzeugung der Haare beytragen sollten.
M a l p i g h i lieferte auch bey unserm Gegenstand zuerst
den Beweis, wie wohlthätig die p r a c t i s c h e Ana t o m i e in
alles ärztliche Wissen eingreift. Dieser grosse Mann, der frey
von allen unnützen Speculationen und abenteuerlichen Vermuthungen
immer nur den sichern Pfad der Erfahrung verfolgte,
und stets nur mit dem Messer in der Hand über das geheime
Wirken der Natur philosophirte, verbreitete über die
*) A d r i a n i S p i g e l i i de humani corp, fabrica. lib. decem, über
deciinus cap. I, p. 369. De capillis.
**) Thealr. anat. c. 2. p. 264-
***) De morbis. p. 58. 1. 4.
Kenntnisse der feinen Structur der Haare ein grosses Licht,
das selbst in unsern so aufgeklärten Tagen noch herrlich leuchtet
*). Nach ihm ist das Haar: notissimum corpus, teres, solidum
filamenti instar, quod facillime in quamcunque partem flectitur.“
Er hielt die schon von Galen angenommene Idee fest, nach
welcher das Haar eine Pflanze eigener Art ist, mit Zwiebel,
Wurzel und einem Stendel begäbt (cjwi sohcicc constat substantiell
quae oarie injicitur juxta dwersitatevn specierum et iiidivitluoviucC).
Ueber die An- und Fortsätze des Haars selbst sagt er, dass an
den Haaren eine lenta materia hänge, welche von den Drüsen
oder von der Haut ausfliesst, und, indem sie über die Haare
läuft, zu Knötchen erhärtet, dem Haare anhängt, und ihm so
das Ansehen gibt, als habe es Anhängsel und Aeste. Um aber
die Art und Weise zu ergründen, wie das Haar mit der Haut
zusammenhängt, untersuchte er die Haare verschiedener Jhie-
re, und gelangte so zu folgenden Resultaten: Das Haar nimmt
unter dem Gorion von einem ovalen und violetten Sack seinen
Ursprung. Dieser besteht aus einer dicken Membran, die er
bie und da für ein Stück des umgeschlagenen Gorii hielt, und
nicht selten mit Girkelfasern begabt fand. Wird dieser Beutel
der Länge nach aufgeschnitten, so erscheint eine Vertiefung,
welche den Bulbus des Haars enthält. Doch ist zwischen bey-
den ein freyer Raum, der mit Blut ausgefüllt wird, welches
sogleich herausfliesst, wenn man den Beutel ansticht. Ist dieses
wirklich geschehen, dann verliert das Säckchen seine Farbe,
und wird schlaff. Ma l p i g h i kommt nun auf die Vergleichung
des Haars mit einer Pflanze zurück, und findet die
grösste Aehnlichkeit des Säckchens mit der Zwiebel der Pflanze.
Es war ihm jedoch nicht möglich, die Natur der Substanz
des Säckchens durch die Sinne zu entdecken, doch glaubte er,
dass mittelst dieser Substanz die von dem in dem Säckchen enthaltenen
Blute getrennten Theile der eingeschlossenen Pflanze
nach Art der Zwiebelpflanzen ernährt und unterhalten werden.
Das Haar selbst aber (Pili plantula) besteht seiner Ansicht zu
Folge aus einem halbweichen Knöpfchen, das schwarz und
durchbohrt ist. In dem Haare aus der Oberlippe eines Ochsens
fand er nebstdem noch das Eigene, dass die Zwiebel quere
und horizontale Bändchen in die Haut des Säckchens schickt,
*) Opera poslhumä. De externo tactus organo. De pilis observationcs.
Londini anno 1600 ■— 1650»